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Archiv-Artikel

Steuersegen weckt Begehrlichkeiten

Finanzministerium erwartet 200 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen. Trotzdem sind weitere Schulden geplant

Von LIEB

BERLIN afp/taz ■ Bund, Länder und Gemeinden werden in den kommenden vier Jahren viel mehr Steuern einnehmen als noch vor einem Jahr prognostiziert. Mit 200 Milliarden Euro Mehreinnahmen gegenüber der letzten großen Steuerschätzung rechnet Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, von denen 90 Milliarden auf den Bund entfallen dürften.

Mit diesen Zahlen wolle das Ministerium in die morgen beginnenden Beratungen des Arbeitskreises Steuerschätzung gehen. Die Experten aus Bund, Ländern und Gemeinden, von der Bundesbank, dem Statistischen Bundesamt und diversen Forschungsinstituten ermitteln immer im Mai die erwarteten Einnahmen als Grundlage für die Finanzplanung der kommenden Jahre. Am Freitag wird die Prognose veröffentlicht. Im November, zur Verabschiedung des Bundeshaushalts, findet eine zweite Steuerschätzung statt.

Dass die Steuereinnahmen steigen und steigen, hat mehrere Gründe. Besonders kräftig schlägt die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Buche. Der zweitgrößte Posten sind die Lohnsteuern, die nun dank neu geschaffener Stellen von einer wachsenden Zahl von Arbeitnehmern gezahlt werden. Unternehmen müssen zudem wegen ihrer kräftig gestiegenen Gewinne höhere Vorauszahlungen ans Finanzamt überweisen und in vielen Fällen auch noch Steuern für vergangene Jahre nachzahlen. Gestiegen sind auch die Einnahmen aus der Zinsabschlagsteuer.

Der Geldsegen weckt massenhafte Begehrlichkeiten. Für den Zeitraum 2008 bis 2011 hätten ihm die anderen Ministerien Ansprüche in Höhe von fast 30 Milliarden Euro gemeldet, sagte Steinbrück. Doch der SPD-Minister warnt: „Man darf jetzt nicht besoffen werden und die Bodenhaftung verlieren.“ Er verweist darauf, dass der Bund bis zum Jahr 2011 etwa 19 Milliarden Euro für die bislang nicht finanzierten Zuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung und 20 Milliarden Euro für neue Kosten am Arbeitsmarkt aufwenden müsse. Überdies würden für die im kommenden Jahr geplante Senkung der Unternehmensteuern noch einmal 12 Milliarden Euro fällig. Weitere Steuersenkungen nach 2009 – wie von Wirtschaftsminister Michael Glos gefordert – lehnte Steinbrück erneut ab. Zunächst stehe die Rückführung der Neuverschuldung an, dann ein Einstieg in die Entschuldung.

Auf ein Zieldatum für einen ausgeglichenen Haushalt will sich Steinbrück jedoch nach wie vor nicht festlegen. Nach einem Bericht des Spiegel plant der Minister erst für 2011 einen vollständigen Verzicht auf die Aufnahme neuer Schulden. Im kommenden Jahr sei trotz der Mehreinnahmen eine Neuverschuldung von 15 Milliarden Euro vorgesehen.

Einem Bericht der Leipziger Volkszeitung zufolge hat sich die Koalition bereits weitgehend über zusätzliche Ausgaben verständigt, unter anderem für die Sanierung von Bundeswehr-Kasernen, eine Bafög-Erhöhung und den Ausbau der inneren Sicherheit. Offen sei noch, wie viel Geld für den Ausbau von Kinderkrippen bereitgestellt werde. Der Finanzwissenschaftler Rolf Peffekoven verlangte, die Steuermehreinnahmen für die Schuldentilgung zu nutzen. Das Steuerplus sei überwiegend konjunkturbedingt – und damit nicht nachhaltig. LIEB