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CDU-Landrat empfängt Neonazis

Der sächsische Landrat Gerhard Gey verabredet sich mit NPD-Vertretern, um über Jugendarbeit zu sprechen. Er findet, dass „Toleranz keine Einbahnstraße“ sein darf. Nun bestehen Geys christdemokratische Parteifreunde auf eine Distanzierung

AUS DRESDEN MICHEL BARTSCH

Der Landrat werde mit Jugendlichen in den Räumen seines Amtes sprechen, um „politisch Andersdenkende nicht aus jeglicher Kommunikation auszugrenzen“. So antwortete die Sprecherin des sächsischen Muldentalkreises schon am 24. April auf eine taz-Anfrage nach Gerüchten über eine Begegnung von NPD-Vertretern mit Landrat Gerhard Gey (CDU). Das Treffen, schrieb sie, sei informell und nicht öffentlich: „Es ist nicht beabsichtigt, durch das Gespräch diesem Personenkreis eine publizistische Plattform zu bieten.“

Keine Plattform? Die NPD hielt das für keine gute Idee. vergangenen Freitag schickte der NPD-Kreisvorsitzende Marcus Müller eine Mittelung herum. Der „vertrauensvolle Dialog“, lobte Müller, sei „von gegenseitigem Respekt und Fairness getragen gewesen“. Höhepunkt der NPD-Erklärung: Der Landrat soll der „Volkstreuen Jugend“ 2.000 Euro zugesagt haben – und zwar ausgerechnet aus dem Bundesmodellprojekt „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“.

Um die Jugendarbeit und ihre Förderung ging es den anwesenden Rechtsextremisten vor allem. Die nationalistische Jugendszene ist im mittelsächsischen Raum seit den Neunzigerjahren stark präsent. Ihre NPD-Kreisräte Sven Trautermann und Heiko Forwerk hatten sich deshalb beim Landrat sozusagen selbst eingeladen. Er habe nicht abgelehnt, ließ Gey nun über seine Pressesprecherin nachschieben, weil für ihn „Toleranz keine Einbahnstraße darstellt“. Nach NPD-Angaben will der Landrat den Dialog sogar „zu gegebener Zeit“ fortsetzen.

Hintergrund ist der eigentlich zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gedachte „Lokale Aktionsplan“, von dem die rechte Jugendszene wohl etwas abhaben möchte. Mit ihm gehen die teils ausgelaufenen Bundesprojekte in kommunale Regie über. Welche Risiken dies birgt, zeigt die Ignoranz des Landrats gegenüber Warnungen des örtlichen Mobilen Beratungsteams für Opfer rechter Gewalt vor dem Gespräch. Bernd Merbitz, CDU-Mitglied und Chef der Polizeidirektion Westsachsen, hatte dem Parteifreund ebenso abgeraten wie die Linkspartei-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz.

Gey lässt nun erklären, er fühle sich in seinem „ehrlichen Bemühen missbraucht“ und vom Echo auf das zweistündige Gesprächs „schockiert“. Die NPD habe es selbst in der Hand, ihr Bild in der Öffentlichkeit zu steuern, wenn sie sich von extremistischen Tendenzen und der nationalsozialistischen Ideologie distanziere, will er auf entsprechende Klagen der Ausgrenzung entgegnet haben. Bei diesem Ausweg aus Vorverurteilung und Isolation bot Gey gar seine Unterstützung an. Scharf dementieren ließ er allerdings die Behauptung, den „Volkstreuen“ Geld zugesagt zu haben, und kündigte eine Unterlassungsklage an.

Die Linkspartei-Abgeordnete Köditz zeigte sich „entsetzt“. Der Landrat habe der NPD in einer für sie schwierigen Situation geholfen. „Kann ein Landrat so naiv sein, dass ihm nicht klar ist, dass die NPD dieses Treffen zur eigenen Profilierung nutzen wird?“, fragt der grüne Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi. Der sächsische SPD-Landesgeschäftsführer Dirk Panter fragt, ob Landrat Gey der zweite Nitzsche werde. Damit spielt er auf einen inzwischen aus der CDU ausgetretenen rechtslastigen Lausitzer Bundestagsabgeordneten an.

Der zuständige CDU-Kreisvorsitzende Hermann Winkler ist zugleich Chef der sächsischen Staatskanzlei. Er forderte von seinem Unionsfreund eine „umgehende öffentliche Distanzierung“. In der CDU sei es bislang Konsens gewesen, dass es keine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der NPD gebe.

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