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Archiv-Artikel

Rechtes U-Boot auf linker Liste

Joachim Weihrauch will in die Bremische Bürgerschaft – und „Die Linke“ hat ihn in Bremerhaven nominiert. Seine politische Vergangenheit als Mitglied der rechtspopulistischen „Schill“- und „Pro DM“-Parteien hat er dabei bewusst verschwiegen

Hürdenlauf im Zwei-Städte-Staat

Die Bremer wählen 68 Abgeordnete in ihr Landesparlament, die Bremerhavener entscheiden über 15 Mandate. Im Bremer Wahlverfahren gibt es eine Besonderheit: Die Stadt Bremen und die Stadt Bremerhaven werden als zwei getrennte Wahlbereiche behandelt. Um in die Bürgerschaft einzuziehen, muss eine Partei die Fünf-Prozent-Hürde nur in einem der beiden Wahlbereiche überspringen. Deshalb zog die DVU 2003 in das Landesparlament ein: Sie holte landesweit zwar nur 2,3 Prozent, in Bremerhaven kam sie aber auf 5,7 Prozent. Für die Anzahl der Sitze ist aber nicht die Prozentzahl in den jeweiligen Städten entscheidend, sondern die absolute Anzahl der Stimmen. Für die Linkspartei gilt es als wahrscheinlich, dass sie die Fünf-Prozent-Hürde in Bremerhaven knackt und erstmals in ein westdeutsches Parlament einziehen wird. Viele Sitze sind aber nicht zu erwarten, die Stimmenanzahl wird dafür zu gering ausfallen. jyk

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Ein U-Boot ist aufgetaucht: Der parteilose Joachim Weihrauch, von der Linkspartei auf Platz 2 ihrer Bremerhavener Liste für die Landtagswahl im kleinsten Bundesland gehievt, war schon früher politisch tätig. Aktiv war er allerdings eher im rechtspopulistischen Lager: Zunächst als einfaches Mitglied im Ortsverband der Schill-Partei. Als diese ihren Gründer, den Hamburger Amtsrichter Ronald Barnabas Schill 2003 ausschloss, fand dieser Asyl bei der Organisation Pro Deutsche Mitte. Weihrauch auch. Beim Bremerhavener Ableger von „PRO DM“ brachte er es bis zum Amt des Pressesprechers.

Kalt erwischt zeigten sich gestern die Bremer Spitzenkandidaten von „Die Linke“. Man habe davon nichts gewusst, so Peter Erlanson und Klaus Rainer Rupp übereinstimmend. Mit geheimdienstlichen Mitteln arbeite man nicht, sagte Rupp: „Wenn die Leute uns belügen, haben wir keine Chance.“ Die Linkspartei tritt im Zuge der Verschmelzung von ehemaliger PDS und der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit mit so genannten „offenen Listen“ an – sprich: Eine Mitgliedschaft in einer der beiden Körperschaften ist nicht Voraussetzung.

Alle BewerberInnen seien aber bei der Listenaufstellung „darauf hingewiesen“ worden, „dass eine Pflicht zur Offenlegung der politischen und persönlichen Biografie“ bestehe, sagte ein Sprecher von „Die Linke“. Eingeräumt habe Weihrauch damals allerdings nur, dass er sich als „Sprecher der Regionalgruppe vom Bund der Energieverbraucher“ engagiert hatte.

Laut Linkspartei hat Weihrauch sein politisches Vorleben mittlerweile – wenn auch widerwillig – zugegeben. Er selbst war nicht zu sprechen: „Der Teilnehmer meldet sich nicht“ – das war der einzige Kommentar, der gestern unter seiner Nummer zu erhalten war. Dass er unter falscher Flagge weiterhin rechtspopulistisch unterwegs ist, lässt sich jedoch auch ohne direkten Kontakt nachprüfen. Unter www.kandidatenwatch.de hat Weihrauch zum Fall der ehemaligen RAF-Terroristin Stellung genommen. Dass sie in Bremen als Lehrerin arbeite, halte er für „eine abartige Provokation“, schreibt der 73-Jährige dort.

Eine Auffassung, die am ehesten noch der des CDU-Innensenators Thomas Röwekamp ähnelt, aber sogar noch darüber hinaus geht: Weihrauch versteigt sich zu einem Vergleich der, laut Oberlandesgericht Stuttgart, vorbildlich resozialisierten Attentäterin mit einem „mehrfachen Kinderschänder“, der in der behördlichen „Kinder- und Jugendhilfe als Sozialarbeiter eingestellt“ würde.

Rupps fassungsloser Kommentar: „Das ist ja schon Nazi-Jargon.“ Und selbstverständlich weit ab von dem, was die Linkspartei denkt. Die hatte eine offizielle Stellungnahme zum „Fall Albrecht“ bereits am 1. Mai herausgegeben: Nachdem sowohl der Innensenator als auch der CDU-Fraktions-Chef Hartmut Perschau probiert hatten, die Tätigkeit der ehemaligen Terroristin zu skandalisieren, verurteilte Linkskandidatin Sirvan Cakici die „künstliche Terror-Hysterie“ als einen Versuch „im trüben rechten Lager zu fischen“.

Versenken lässt sich das U-Boot so ohne weiteres nicht. Zwar sind Weihrauchs Chancen, in die Bürgerschaft einzuziehen minimal: Nur wenn die Bremerhavener Liste von „Die Linke“ 10 Prozent der Stimmen in der Seestadt auf sich vereinigen könnte, hätte er ein Mandat (siehe Kasten). Aber den ungewollten Kandidaten von der Liste zu streichen, ist rechtlich ausgeschlossen. Trotzdem werde man „alle erdenklichen rechtlichen Schritte unternehmen“, so Rupp, „damit dieser Mann nicht mehr unter dem Namen der Linkspartei auftreten kann“. Laut Partei hat Weihrauch mittlerweile eingelenkt. „Ein eventuell erreichtes Mandat über unsere Liste will er nicht annehmen“, sagte ihr Sprecher Michael Horn.

Die im Umbruch befindliche neue Linke aus Linkspartei und WASG ist nicht erstmals mit dem Problem der Unterwanderung konfrontiert. Für bundesweite Schlagzeilen hatte im vergangenen Jahr der Fall des WASG-Bundesvorstandsmitglieds Andreas Wagner gesorgt. Er war zur NPD in Sachsen übergewechselt. In Bremen kamen die Unterwanderungsversuche allerdings eher von linkschaotischen Gruppierungen wie der SAV und gelten als beendet.