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Archiv-Artikel

Tempelhof-Fans dürfen nur zetern

Der Senat lässt das Volksbegehren gegen die Airport-Stilllegung ins Leere laufen, indem er nur eine zahnlose Variante zulässt. Bürgerinitiative kritisiert „Entwertung“ der Verfassung und prüft Klage

VON ULRICH SCHULTE

Der Senat hat das Volksbegehren gegen die Stilllegung des Flughafens Tempelhof zugelassen. „Der erste Teil des Volksbegehren ist zulässig, weil er das Ziel verfolgt, einen Appell zur Offenhaltung an den Senat zu richten“, sagte Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gestern. Sei das Begehren erfolgreich, werde der Senat diese Aufforderung zu bewerten haben, so die Senatorin.

Die Landesregierung erlaubt also nur eine zahnlose Variante. Selbst wenn die Initiatoren die für den zweiten Schritt nötigen 170.000 Unterschriften sammeln und im folgenden Volksentscheid die Mehrheit der Bürger für Tempelhof stimmt, wäre der Effekt gleich null. Schließlich hat der Senat in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich gemacht, dass er von der Schließung nicht abrückt.

Der zweite Teil des Begehrens fordert vom Senat, den Widerruf der Betriebsgenehmigung aufzuheben. Diesen – weit wirksameren – Part blockt die Regierung ab. „Hier handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit einem Dritten“, sagte Junge-Reyer. Der Senat hat darüber mit der Flughafengesellschaft einen Vertrag geschlossen. Dieser sei per Volksbegehren nicht zu ändern, so die Verkehrssenatorin. Würde die Regierung dem Punkt stattgeben, würde das „sofort“ die Planfeststellung für den Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) gefährden.

Die Planfeststellung beinhaltet die Stilllegung der beiden Berliner Flughäfen Tegel und Tempelhof bei BBI-Inbetriebnahme. Nach Angaben von Junge-Reyer will der Senat noch vor der Sommerpause die Planfeststellung für Tempelhof als Flughafen aufheben. Damit schafft er vollendete Tatsachen – die erneute Genehmigung eines Airports mitten in Wohngebieten gilt als ausgeschlossen.

Die Initiatoren des Volksbegehrens von der Interessengemeinschaft City Airport Tempelhof (ICAT) kritisierten die Entscheidung als „Entwertung“ der Verfassung. „Der Senat ignoriert den Willen des obersten Souveräns, des Volkes“, sagte ein Vertreter. Die Landesregierung müsse das Entwidmungsverfahren sofort stoppen, forderte CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger. „Es ist Volksveräppelung, wenn man das Volk abstimmen lässt, aber bereits vorher den Flughafen schließt.“ Auch von den Basisdemokratielobbyisten vom Verein Mehr Demokratie kam Kritik: „Eine absurde Politposse“, sagte ein Sprecher. „Mit der einen Hand klopft der Senat den Bürgern auf die Schulter, mit der anderen verteilt die Stadtentwicklungsbehörde eine schallende Ohrfeige.“ Rot-Rot hatte im Sommer 2006 mit einer Verfassungsänderung mächtigere Volksbegehren ermöglicht. Die Grünen dagegen argumentieren, ein Linienflugverkehr sei „ökologisch, wirtschaftlich und städtebaulich fatal“. Dennoch solle das Volksbegehren nicht über das Planungsrecht abgewürgt werden, so Verkehrsfachfrau Claudia Hämmerling.

Die ICAT kündigte an, eine Klage gegen die Umwidmung Tempelhofs zu prüfen – und „alle Schritte bis zum Volksentscheid durchzuziehen“. Erst wird jetzt das Parlament Stellung nehmen. Dann muss die Initiative in vier Monaten rund 170.000 Unterschriften sammeln. Im letzten Schritt, dem Volksentscheid, stimmen dann alle Wahlberechtigten über Tempelhof ab.