: Japan will nicht schuld sein
Premier Shinzo Abe lehnt Entschuldigung für Zwangsprostituion während des Zweiten Weltkriegs ab. 200.000 „Trostfrauen“ mussten damals Japans Soldaten gefügig sein
TOKIO taz ■ Der japanische Regierungschef Shinzo Abe hat gestern seine umstrittenen Äußerungen zur Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg von vergangener Woche wiederholt. Zuvor hatte Südkoreas Außenministerium dem Premier Geschichtsfälschung vorgeworfen. Abe sagte gestern vor einem Parlamentsausschuss in Tokio, es sei nicht bewiesen, dass Japan Frauen zu sexueller Sklaverei gezwungen habe. Er werde sich deshalb auch nicht dafür entschuldigen. Der aktuelle Anlass zu Abes Äußerungen ist ein Resolutionsentwurf im US-Kongress, in dem Japan aufgefordert wird, für die sexuelle Ausbeutung von Frauen historische Verantwortung zu übernehmen und offiziell sein Bedauern auszudrücken.
Historiker schätzen, dass die japanischen Besatzer zwischen 1910 und 1945 mindestens 200.000 Frauen in Soldatenbordelle verschleppten. Tokio hatte jahrzehntelang die Bordelle als „private Institutionen“ bezeichnet. Konfrontiert mit Dokumenten, die ein japanischer Historiker 1992 ausgrub, akzeptierte das offizielle Japan ein Jahr später seine Mitschuld. Abes umstrittenen Äußerungen können als Versuch interpretiert werden, sich vom 1993er-Eingeständnis zu distanzieren – so wie dies hartgesottene Nationalisten fordern. Nariaki Nakayama, der eine Gruppe von 120 revisionistischen Parlamentariern anführt, brachte deren Sicht der Dinge so auf den Punkt: „Man kann die sogenannten Bordelle von damals mit Studentencafés vergleichen, die von privaten Unternehmen betrieben wurden. Private beschafften Bedienung und Verpflegung.“ Für die Opfer – euphemistisch „Comfort Women“ genannt – ist das blanker Hohn. Ihnen geht auch die Deklaration von 1993, die lediglich vom Regierungssprecher verlesen und nie vom Parlament verabschiedet wurde, nicht weit genug.
Abe hat mehrfach die Rechtmäßigkeit der Kriegsverbrechertribunale nach dem Zweiten Weltkrieg angezweifelt und damit seinen Ruf als konservativ-nationalistischer Politiker gestärkt. Seit seiner Wahl im September hatte er sich mit kontroversen Aussagen zurückgehalten. Doch Abes Beliebtheit sinkt dank innenpolitischer Skandale stetig. In wenigen Monaten sind wichtige Parlamentswahlen, vor denen der Premier anscheinend versucht, sich bei der Wählerbasis am rechten Rand beliebt zu machen. MARCO KAUFFMANN