: Patzer bei Patentklage
Die Klage des Pharmariesen Novartis gegen die Herstellung von nachgeahmten Medikamenten steckt in der entscheidenden Phase
AUS DELHI BERNARD IMHASLY
Der Prozess, in dem der Schweizer Pharmamulti Novartis gegen den indischen Staat Patentschutz für das Leukämie-Medikament „Glivec“ durchsetzen will, steht kurz vor dem Abschluss. Für heute erwarten Beobachter den letzten Verhandlungstag.
Auf dem Spiel steht die Versorgung von jährlich mindestens 24.000 indischen Leukämiekranken, die mit einem Nachahmermedikament, einem sogenannten Generikum, von Glivec behandelt werden. Obwohl die Arzneien chemisch identisch sind, gibt es einen entscheidenden Unterschied: Das in Indien hergestellte Generikum kostet 2.000 US-Dollar im Jahr – das Originalprodukt von Novartis 24.000 US-Dollar.
Der bisherige Verlauf des fünfwöchigen Prozesses war für Novartis nicht ohne Widrigkeiten. So stützte sich der Konzern in seiner Argumentation auf einen Report der indischen Regierung, der sich als Plagiat entpuppte. „Die Autoren des Regierungsgutachtens hatten ausgerechnet aus einer Studie abgeschrieben, die von der Pharmaindustrie mit finanziert wurde“, sagte Corinna Heineke von der Entwicklungsorganisation Oxfam der taz.
Auch Novartis schien es nicht ganz geheuer zu sein, gegen das Patentamt ins Feld zu ziehen. Die Basler Firma schob der Glivec-Klage noch eine zweite Petition nach, die sich gegen das indische Patentgesetz richtet. Es war vor zwei Jahren verändert worden, um erstmals Produktpatente einzuführen sowie die WTO-Bestimmungen zum Schutz geistigen Eigentums im lokalen Recht zu verankern.
Doch damit einer Arznei Patentschutz gewährt wird, verlangt das indische Patentrecht von einem neuen Medikament eine „signifikante Neuerung“ oder Erfindung. Novartis kritisiert, dies sei ein Verstoß gegen die international gültigen WTO-Bestimmungen.
Der Fall erregt international große Aufmerksamkeit. Auf der einen Seite sieht sich Novartis als Vorkämpfer für die Hersteller patentierter Medikamente. Mit der Klage will das Unternehmen durchsetzen, dass es keine Aufweichung der Regeln für geistiges Eigentum geben dürfe. Auf der anderen Seite steht der indische Staat, Generikafirmen und vor allem Patientenorganisationen. Sie alle wollen verhindern, dass die Multis den Patentschutz durch geringfügige Verbesserungen der Medikamente weit über die ursprüngliche Zeitdauer ausdehnen. Damit würden Arzneinachahmungen verhindert und Preise von lebensrettenden Medikamenten in die Höhe getrieben.
Zwar hat Novartis den Preis der Pillen gesenkt und sie – für 6.500 arme Patienten – sogar kostenlos bereitgestellt. Aber jedes Jahr erhöhe sich die Zahl von Patienten mit dieser Krankheit in Indien um 20.000 neue Fälle, meint Leena Menganey von der Gruppe Ärzte ohne Grenzen in Delhi. Der Zugang lebenswichtiger Medikamente müsse auch für Arme erhalten bleiben. Dasselbe gilt für eine Reihe anderer Krankheiten, allen voran HIV/Aids. Denn ein für Novartis günstiges Urteil würde nicht nur Glivec den Weg ebnen, sondern auch anderen Hochpreis-Medikamenten.