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Archiv-Artikel

Alles für die Tonne

Kommunen setzen wieder auf staatliche Müllentsorgung. Auch die Müllmänner könnten davon profitieren

Der Müllmann muss leiden, seitdem die Kommunen vor 15 Jahren begannen, ihren Müll privat entsorgen zu lassen. Er spürt die Privatisierung bei der Arbeitszeit und im Portemonnaie. Weniger Leute arbeiten immer länger, während Löhne teilweise halbiert wurden. Am Monatsanfang steht oft nur noch ein dreistelliger Betrag auf der Habenseite. Und das Weihnachtsgeld, das den Arbeitern zwischen den Jahren an den Haustüren zugesteckt wurde, sitzt auch nicht mehr so locker. Die Müllgebühren hatten das Extragehalt aufgefressen.

Doch die Rechnung ging nicht auf. Die Kommunen müssen für die Lohnausfälle der privat beschäftigten Arbeiter aufkommen. Soziale Leistungen wie Wohngelder werden fällig, damit der Müllmann auch in Zukunft die Menge an Abfall produzieren kann, die er hinterher entsorgen soll. „Bislang wurden diese Kosten beim Vergleich staatlich privat außen vorgelassen“, sagt ein Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Doch damit sei es jetzt vorbei.

Hausmüll ist wieder von öffentlichem Interesse. Bei Ausschreibungen kommt es immer häufiger vor, dass kommunale Unternehmen genauso teuer sind oder sogar für weniger Geld arbeiten. Im westfälischen Fröndenberg ergab ein städtisches Gutachten, dass die Stadt den Müll bis zu 30 Prozent billiger entsorgen könne als die private Konkurrenz. Die Gebühren würden um bis zu 20 Prozent sinken. „Das Ergebnis hat uns selbst überrascht“, sagt Oberbürgermeister Egon Krause (SPD). Ähnlich ist die Situation in Bergkamen. Die Stadt spart seit der Rückholung der Mülltransporte rund 350.000 Euro pro Jahr. Im rheinischen Leichlingen nahmen sechs Teilnehmer an einer europaweiten Ausschreibung teil. Die kommunale Tochter Avea aus dem benachbarten Leverkusen war die günstigste.

Ob sich der Trend in der Abfallwirtschaft endgültig umkehrt, ist allerdings unsicher. Auch weil der Bundesverband der Entsorgungswirtschaft eine Beschwerde bei der EU-Kommission einreichen will. Dabei geht es um die Ungleichbehandlung bei der Umsatzsteuer: Während private Unternehmen 19 Prozent zahlen müssen, bleiben ihre kommunalen Kollegen unbehelligt. „Das ist Wettbewerbsverzerrung“, sagt Gerd Henhuber, Vorsitzender der privaten Entsorger. Sollte die Beschwerde durchkommen, sind die aktuellen Ausschreibungen und Gutachten vielleicht doch für die Tonne.

HOLGER PAULER