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Archiv-Artikel

Zuständig für Terror

Bei der Bewertung der Razzien vom Mittwoch geht es weniger um deren Zulässigkeit als um deren Begründung

KARLSRUHE taz ■ Zwölf Brandanschläge und drei Sachbeschädigungen legte die Bundesanwaltschaft gestern der angeblichen terroristischen Vereinigung der Gipfelgegner zur Last. Es geht also um konkrete Straftaten, deren Existenz niemand bestreitet, ja, die von den Urhebern sogar per Bekennerschreiben für sich reklamiert wurden.

Wenn jemand die Weltwirtschaftsordnung für ungerecht hält, ist dies keine Rechtfertigung, das Auto eines Politikers anzuzünden. Hier kann sich niemand auf die Meinungs- oder Demonstrationsfreiheit berufen oder erwarten, dass Polizei und Staatsanwaltschaft solche Fälle nicht untersuchen. Zur Aufklärung sind auch Hausdurchsuchungen und die Durchsuchung anderer Räume prinzipiell zulässig. Außerdem dürfen Beweismittel beschlagnahmt werden, sogar Computer.

Zweifelhaft ist aber, ob gegen eine terroristische Vereinigung ermittelt werden kann. Diese Frage ist politisch wichtig, weil der Vorwurf des Terrorismus natürlich eine andere stigmatisierende Wirkung hat als der einer Brandstiftung. Gerade im Vorfeld von Demonstrationen, deren friedlicher Verlauf bezweifelt wird, ist dieser Vorwurf dramatisch, vor allem wenn zugleich – bisher ohne Beleg – unterstellt wird, die Terrorgruppe wolle den G-8-Gipfel angreifen.

Der Gesetzgeber hat 2003 entschieden, dass eher symbolische Brandanschläge, die den Staat oder internationale Organisationen nicht erheblich schädigen, nicht mehr als Terrorismus strafbar sein sollen. Der Staat soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Und er soll nicht militante Protestbewegungen in eine Schublade mit Terrorgruppen stecken. Die Bundesanwaltschaft verweigert eine Antwort darauf, wie militante Gipfelgegner den Staat oder Organisationen erheblich gefährden könnten. Über ihre Motive kann nur spekuliert werden. Die Annahme, sie wolle aus politischen Gründen die Gipfelgegner stigmatisieren, ist aber fernliegend.

Der Grund ist wohl eher banal. Nur wenn es um Terrorismusvorwürfe geht, ist Generalbundesanwältin Monika Harms zuständig. Kleinere Brandstiftungen und Farbschmierereien muss sie den örtlichen Staatsanwaltschaften überlassen. Vermutlich gehen die Bundesanwälte nach dem Motto „Wer weiß, was noch kommt“ davon aus, dass es besser ist, die Ermittlungen von Anfang an zu koordinieren. Doch all das wären keine zulässigen Gründe, einer Protestbewegung das Etikett „Terrorismus“ aufzukleben. Es wäre eher ein Skandal. CHRISTIAN RATH