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Archiv-Artikel

Lehrer sollen lehren lernen

Schulinspektion attestiert vier von zehn Schulen Qualitätsmängel. Große Defizite gerade bei neuen Unterrichtsformen und individueller Förderung. GEW fordert Einstellung von mehr jungen Lehrern

VON ALKE WIERTH

Bescheiden ist Jürgen Zöllner wohl geworden, seit er vor knapp einem halben Jahr Bildungssenator wurde. Das muss man jedenfalls vermuten, wenn der Sozialdemokrat im jüngsten Bericht der Schulinspektoren eine „positive Bilanz“ erkennen will. 24 der insgesamt 45 untersuchten Schulen wiesen ein „positives Qualitätsprofil“ auf, heißt es da. Andersherum: Über 40 Prozent der Schulen erfüllten die Kriterien der Inspektoren nicht. Noch schlechter, musste der Schulsenator zugeben, wäre das Ergebnis wahrscheinlich ausgefallen, hätten sich nicht 24 der teilnehmenden Schulen freiwillig zur Prüfung gemeldet. Denn deren Ergebnisse waren um einiges besser als die der ausgelosten Teilnehmer.

Bis Ende 2010 will die Schulverwaltung alle knapp 800 öffentliche Schulen Berlins durch die Inspektorenteams untersuchen lassen. Die Teams bestehen aus Lehrern und Schulleitern, Mitarbeiter der Schulaufsicht sowie Vertreter von Eltern und Wirtschaft.

Mängel stellten die Inspektionsteams vor allem in solchen Bereichen fest, denen in der Diskussion um Verbesserung der Schulen große Bedeutung beigemessen wird: Individuelle Förderung von SchülerInnen je nach ihren Lernmöglichkeiten, Förderung von selbstständigem Lernen und Unterstützung für SchülerInnen mit mangelhaften Kenntnissen der deutschen Sprache. Stattdessen scheinen die Lehrer an konservativen Methoden festzuhalten: Weit mehr als die Hälfte der Schulstunden finden als klassischer Frontalunterricht statt. Gruppen- und Partnerarbeit dagegen spielen mit je weit unter 20 Prozent eher eine Nebenrolle.

Kritiker der rot-roten Schulpolitik können deshalb in dem Inspektorenbericht, den Schulsenator Zöllner am Freitag vorstellte, wenig Grund zum Jubel entdecken. „Die Ergebnisse zeigen, dass an unseren Schulen viel nachgeholt werden muss“, meint Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen. Moderne Unterrichtsformen würden immer noch nicht ausreichend praktiziert. Dabei hätten, so Mutlu, bereits die Pisa-Studien deren wichtige Rolle für den Bildungserfolg gezeigt: „Und das ist sechs Jahr her!“ Eigentlich genug Zeit für Veränderungen, so der Grüne. Zöllners Ankündigung „gezielterer Fortbildung“ als Reaktion auf die Inspektionen hält er deshalb nicht für ausreichend. Mutlus Fazit lautet stattdessen: „Neue Lehrer braucht das Land!“

Solche Lehrerschelte will die zuständige Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nicht auf sich sitzen lassen. „Wir stellen immer wieder fest, dass Fortbildungsangebote zu neuen Unterrichtsformen sehr gut angenommen werden“, sagt die Berliner GEW-Vorsitzende Rosemarie Seggelke.

Falsch findet sie Mutlus Plädoyer für neue Lehrer aber nicht. In vielen Schulen fehlten neue Impulse, da junge Kollegen, die mit mit modernen Unterrichtsmethoden vertraut seien, kaum eingestellt würden. „Dann ist die Gefahr groß, dass die Entwicklung stagniert“, so Seggelke. Einen Ausweg aus dem Dilemma sieht sie in der Kombination beider Lösungsmöglichkeiten: Mehr Fortbildungsangebote zum einen, mehr Einstellungen junger LehrerInnen zum andern. Die Senatspläne, zum neuen Schuljahr pro Bezirk nur sechs neue Lehrer einzustellen, reichten nicht aus, meint die Gewerkschafterin: „Die können nicht viele neue Impulse setzen.“