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Archiv-Artikel

Pressefreiheit vor Gericht

Vor den Wahlen auf den Philippinen behindern Politiker die Arbeit von Journalisten durch Verleumdungsklagen

Gemma Bagayaua war fast allein in der Redaktion des Nachrichtenmagazins Newsbreak in Manila, als am Nachmittag des 7. März zwei Männer hereinkamen. Es waren Polizisten in Zivil.

Bagayaua hatte zusammen mit Kollegen Artikel über einen einflussreichen Gouverneur publiziert, der für die Regierungspartei als Senator kandidiert. Luis Singson – hierzulande kürzlich nach der Geiselnahme von Kindern in einem Schulbus als ihr „Befreier“ über die Bildschirme geflimmert – hatte die Berichterstattung über seine fragwürdigen Einkommensquellen und seinen großen Einfluss auf Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo nicht gefreut. Singson erstattete Anzeige wegen Verleumdung. Bagayaua wurde festgenommen und durfte erst am nächsten Morgen wieder gehen.

„Was wir erleben, ist ein Krieg gegen die Pressefreiheit“, sagt Christina Rodriguez, Vorsitzende des philippinischen Journalistenverbandes (NUJP), zur taz. Im Februar zählte die NUJP den 50. ermordeten Journalisten seit Arroyos Amtsantritt 2001. Im Kampf zwischen Militär und den kommunistischen Paramilitärs der New People’s Army stehen Linke unter dem Generalverdacht, die NPA zu unterstützen. Auch Politiker, Gewerkschafter und Anwälte bezahlen ihre Arbeit häufig mit dem Leben.

Neben der Todesangst waren es vor den heute stattfindenden Senats- und Kongresswahlen vor allem Verleumdungsklagen, die Medien in die von Politikern gewünschten Schranken weisen sollten. Die International Federation of Journalists (IFJ) fordert die philippinische Regierung auf, endlich einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, damit Journalisten nicht mehr wegen ihrer Berichterstattung kriminalisiert werden können.

Dass die IFJ Gehör findet, ist nicht zu erwarten. An vorderster Front im Kampf gegen kritische Journalisten kämpft José Miguel Arroyo, der First Gentleman des Landes. Schmerzensgeld in Millionenhöhe fordert er von 45 Journalisten, die nach den Präsidentenwahlen von 2004 über die Versuche der Präsidentenfamilie, Stimmen zu kaufen, berichtet hatten. Eine von ihnen ist Newsbreak-Chefredakteurin Marites Vitug. „Unsere Berichte sind solide recherchiert“, sagt sie.

Am 3. Mai, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, wollte sich Arroyo plötzlich zum Medienfreund stilisieren und kündigte an, alle Klagen gegen Journalisten zurückziehen zu wollen. „Wir haben keine Angst vor einem Prozess“, sagt Vitug. „Wir wissen, dass wir unschuldig sind.“ Besser, als die Klagen jetzt in einem scheinbaren Gnadenakt fallen zu lassen, fände sie, „dass wir von den Richtern endlich erfahren, was Verleumdung ist und was nicht“.

Die philippinische Medienanwältin Jo Imbong rät Journalisten, die Fälle vor Gericht auszustehen. In vielen Fällen urteilten die Richter am Ende zugunsten des öffentlichen Interesses, so Imbong. Auch Mirko Herberg, Leiter des Manila-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, die unabhängige Medien unterstützt, sieht in der Vernetzung der Medienmacher und dem Bekanntmachen der Klagepraxis die beste Strategie. In der Hauptstadt sei das erfolgreich. Doch in der Provinz werde es für Journalisten immer schwerer, die „feudale politische Kultur“ des Landes zu kritisieren. ANETT KELLER