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Archiv-Artikel

Warten auf die Verlängerung

FUSSBALL Matthias Sammers Ansehen beim FC Bayern München erhält einen weiteren Kratzer durch das Aufkommen eines Gerüchts. Angeblich ist der Spanier Ramon Rodriguez Verdejo als Nachfolger im Gespräch

Nutzt Guardiola nun dieses Machtvakuum, um sich den Klub noch mehr zurechtzubiegen?

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Juan Bernat schießt im ersten Länderspiel gleich ein Tor, der Klub macht mit mehr als einer halben Milliarde Euro einen Rekordumsatz, Uli Hoeneß hat 18 Kilo abgenommen und darf von Januar an wohl seinen Freigang an der Säbener Straße verbringen, und auch der Beinahe-Weltklasse-Verteidiger Breno wird Weihnachten wahrscheinlich mit Töchterchen Brenda, die er bislang nur von Fotos kennt, zu Hause unterm Baum sitzen. Erfolgsmeldungen, wohin man schaut, an der sportlichen Front ja sowieso. Der deutsche Meistertitel soll diesmal schon zur Winterpause klargemacht werden. Und jetzt so was: Angeblich will Pep Guardiola mal wieder einen Spanier einkaufen. Allerdings nicht noch einen Tiki-Taka-Helden, sondern einen Sportchef. Hä? Macht das nicht dieser Matthias Sammer? Schon. Fragt sich nur, wie lange noch.

Wenn die spanische Tageszeitung El Mundo Deportivo recht hat, dann haben Guardiola und dessen Bruder und Berater Pere dem Ex-Keeper und Noch-Sportchef des FC Sevilla, Ramon Rodriguez Verdejo (46), Spitzname Monchi, bei einem Treffen in München ein Angebot für die kommende Saison unterbreitet. Fest steht: Der in Spanien sehr angesehene Verdejo wird Sevilla trotz Vertrag nach sieben Titeln in 14 Jahren nach dieser Saison verlassen. Neben dem FC Barcelona und Real Madrid sollen auch Tottenham Hotspur und Zenit St. Petersburg an dem Spanier interessiert sein.

Juni 2015 läuft Sammers Vertrag aus. Anfang August hatte sich der Sachse noch ganz cool gegeben: „Ich bin ganz entspannt, was das Thema betrifft. Ich habe Vertrag bis 2015 und gebe dieses Jahr Vollgas. Man wird sich irgendwann unterhalten und sehen, was dabei herauskommt.“ Wenig später folgte Sammers Aufforderung an den Klub: „Ich bin bereit. Wenn der FC Bayern möchte, dass ich lange auf dieser Position bleiben soll, dann möchte ich lange bleiben.“ Es folgte: keine Reaktion vom Klub, zumindest keine offizielle. Anzeichen auf eine bereits erfolgte Einigung gaben zuletzt diese Sammer-Sätze: „Es ist praktisch … na ja, nicht eingetütet, aber besprochen.“ Laut Sport-Bild soll der neue Kontrakt auf der Jahreshauptversammlung am 28. November verkündet werden. Nur: Warum so lange herumdrucksen, wenn man sich längst einig ist? Schon merkwürdig, dass sich keiner der Gewaltigen im Klub über die Bedeutung von Sammer für den Verein auslassen will. Rummenigge schob das Thema unlängst dem Präsidenten zu: „Ich glaube, Karl Hopfner und er haben noch gar nicht so ganz konkret gesprochen. Aber das wird irgendwann der Fall sein.“ Als die Verdejo-Meldung auf dem Markt war, polterte Rummenigge: „So ein Unsinn! An dieser Geschichte ist gar nichts dran.“

Der offizielle Titel Sammers auf der Homepage des FC Bayern lautet „Vorstand“, die Jobbeschreibung wie folgt: „Der frühere Fußballer des Jahres in Europa ist unter anderem verantwortlich für die Lizenzspielermannschaft.“ Den Medien gilt der Ex-Feuerkopf als „ewiger Mahner, der den Druck hochhält“, den vierten Offiziellen am Spielfeldrand gilt er als ständiges Ärgernis und dem gemeinen Fan immer mehr als Rätsel: Was macht der eigentlich bei Bayern? Sammers Arbeit beim FC Bayern ist wenig greifbar. Für die Anbahnung und Abwicklung von Transfers hat der Rekordmeister im Juni die Branchengröße Michael Reschke von Bayer Leverkusen eingekauft. Einfluss auf das Spielsystem des FC Bayern hat außer Guardiola niemand auf der Welt, nicht Sammer, nicht Vorstandsboss Rummenigge, nicht der nur mäßig charismatische Präsident Hopfner, noch nicht einmal Franz Beckenbauer, und auch nicht mehr Uli Hoeneß. Nutzt Guardiola nun dieses Machtvakuum, um sich den Klub noch mehr zurechtzubiegen?

Verdejo wäre der elfte Spanier bei Bayern, und wo dieser Sportchef in spe künftig überwiegend einkaufen würde, liegt auf der Hand. Doch auch wenn Sammers oft moralinsaure Predigten selten vergnügungssteuerpflichtig sind und der Merchandising-Umsatz ganz bestimmt nicht wegen verkaufter Sammer-Trikots steigt: Dass sich die Mia-san-Mia-Bayern mit einem Spanier als Sportchef dermaßen in die Hände Guardiolas begeben, ist unwahrscheinlich. Dem Standing von Sammer tut all dies nicht gut. Wie zweifelnd und suchend er auch nach zwei Jahren an der Säbener Straße immer noch ist, offenbarte er unlängst im Interview mit der FAZ: „Ich frage mich in manchen Situationen: Wie hätte Uli Hoeneß entschieden?“