: Ist ja alles nur geklaut
Kaffeekannen, Motorsägen, Eierbecher – Nachahmer kennen keine Grenzen. Die besten werden seit Jahren prämiert und damit geoutet. Das neue Museum Plagiarius in Solingen zeigt eine Auswahl
VON KATHARINA HEIMEIER
An der Tür zum Kabinett der Skrupellosigkeiten steht ein schwarzer Gartenzwerg mit einer langen goldenen Nase. Plagiarius ist sein Name. Gewidmet ist er denjenigen, die abkupfern, nachäffen und klauen. Und von denen gibt es genug. „Dreistigkeit kennt keine Grenzen“, sagt Christine Lacroix.
Sie steht vor einer Vitrine mit Haushaltsgeräten im Museum Plagiarius in der südlichen Innenstadt Solingens. Hinter dem Glas: zwei Kaffeekannen, links das Original, rechts die Fälschung. Die Unterschiede sind subtil: Die eine trägt den Schriftzug „alfi“, auf der anderen Kanne steht „albi“. „Das Plagiat ist gelbstichiger und nicht so massiv“, sagt Plagiarius-Geschäftsführerin Lacroix. Aber der eigentliche Haken: „Sie isoliert nicht.“ Die Kanne „Sophie“ der Firma „alfi“ ist nur einer von vielen Küchenhelfern, die Nachahmern zum Opfer gefallen ist. In den Vitrinen liegen nachgemachte Nudelgreifer, Salatbestecke, Eierbecher, Pfefferstreuer, Rührschüsseln – und das Original der Brief- und Diätwaage Nr. 8600 der Firma Soehnle-Waagen aus Murrhardt in leuchtendem Orange, mit der 1977 alles begann.
Auf der Frühjahrsmesse in Frankfurt entdeckte der Industriedesigner Rido Busse am Stand eines Herstellers aus Hong Kong ein Plagiat dieser Waage, die er selbst entwickelt hatte. Für sechs Stück wollte der Aussteller 24 Mark haben, die echte Waage kostete damals pro Stück 26 Mark im Laden. Per einstweiliger Verfügung verbannte die Original-Firma die Plagiate von der Messe. Doch es war nur ein kurzfristiger Erfolg. Nach zwei Monaten bot ein anderer Hong Kong-Exporteur dasselbe Modell wieder an. Auch nach einer erneuten einstweiligen Verfügung tauchten neue Plagiate auf.
Busse suchte daraufhin einen anderen Weg als den juristischen. Er ging in ein Geschäft, kaufte den handelsüblichen Gartenzwerg Nr. 917 der Firma Heissner, lackierte ihn schwarz, malte ihm eine goldene Nase und machte ihn zu einer Auszeichnung für besonders freche Nachahmer. Erster Gewinner war die besagte Firma aus Hong Kong. Seitdem wird der schwarze Gartenzwerg regelmäßig verliehen, zuletzt ging er an den Isolierkannen-Imitator. „Die Jury soll sich vom Grad der Empörung leiten lassen“, erklärt Lacroix.
Diese wäre vermutlich auch beim Schriftsteller Ernest Hemingway groß gewesen, wäre er auf das Plagiat seines geliebten Notizbuches Moleskine gestoßen. Wie ein Zwilling des Originals liegt es in einer Vitrine gemeinsam mit nachgemachten Stiften und Radiergummis von Faber Castell am Fenster des kleinen Museum-Raums – „nur Moleskine steht nicht drauf“, bemerkt Lacroix. Andere Nachahmer wollen nicht ganz auf den Schriftzug verzichten, sondern verändern ihn einfach geringfügig. Aus dem Hersteller von Sanitärarmaturen Grohe wird dann zum Beispiel Grohi. Verkauft werden die Plagiate auf Flohmärkten, im Internet, auch im Supermarkt. So bot Lidl einen Schmuckkoffer an, der dem Original Windrose-Schmuckkoffer „New Age“ zum Verwechseln ähnlich sah – gab dann aber eine Unterlassungserklärung ab und nahm das Köfferchen vom Markt. Jetzt stehen Original und Plagiat im Museum in Solingen.
Der Standort ist nicht ohne Hintergedanken gewählt. „Die Industrie in Solingen und Umgebung ist stark betroffen“, sagt Lacroix. Sie deutet auf ein Messer mit dem Schriftzug „Solingen“ – „das kommt aus China“, sagt sie. Aber die Imitatoren seien längst nicht nur chinesische Hersteller, die Aufträge würden auch aus westlichen Ländern kommen. Dadurch könne großer Schaden entstehen – nicht nur für den Original-Hersteller, sondern auch für den Käufer. Beim Plagiat der Motorsäge „MS 380“ der Firma Stihl lieferte der Hersteller den Handschutz mit, aber er lag abgebrochen in der Packung.