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Archiv-Artikel

Phänomen „männlichen Protests“

betr.: „Man gegen Mann“

Dem Autor ist zugute zu halten, dass er körperliche Gewalt in einer Anerkennungsdynamik um Macht und symbolisches Kapital zu verorten sucht. Bleibt die Anerkennung auf symbolisch-kultureller Ebene versagt, erfolgt oft Rückgriff auf Gewalt. Dabei gilt es aber dennoch Differenzen zwischen Neonazismus und sogenanntem islamistischem Terrorismus nicht aus den Augen zu verlieren. Hierzu gibt es auch Sozialwissenschafts-, Gender-, Rassismus- und Kritische Weißseinsforschung: Bildung und das Hineinversetzen aus dominanter Position ersetzen demnach eben nicht fehlende Anerkennung von Erfahrungen, die dem Selbstbild der Mehrheit zuwiderlaufen mögen.

Was soll aber der Popanz um die angeblich naiven Gender- und SozialwissenschaftlerInnen? Im Gender-Studium gehört die Rezeption der Neurowissenschaften zum Standardrepertoire. Allerdings gibt es bisher keine wissenschaftliche Studie über die biologischen Grundlagen geschlechterspezifischen Verhaltens, die nicht aufgrund des Einfließens außerwissenschaftlicher Vorannahmen oder einer begrenzten Anzahl der ProbandInnen verböten, solch allgemeingültige Aussagen zu treffen. Nur nach statistischen Bereinigungen erscheinen die Ergebnisse eindeutig: Weibliche Körper im männlichen Feld stellen dann eine zu vernachlässigende Ausnahme dar, die die Regel bestätigen.

Was in wissenschaftlichen Ergebniszusammenfassungen sinnvoll sein mag, bedeutet in der sozialen Praxis Homogenisierungsdruck und Pathologisierung individueller Besonderheiten. Die Übernahme stereotyper Vereinfachungen macht blind für Lösungen. AGNES BÖHMELT, MATTHIAS MERGL, Berlin