piwik no script img

Archiv-Artikel

Parlamentarierstreik in Kabul

Front der Warlords will afghanischen Außenminister Rangin Dadfar Spanta absetzen

BERLIN taz ■ Als am Wochenende die internationalen Medien in großen Artikeln den Tod des Taliban-Militärchefs Mullah Dadullah vermeldeten, ging eine kleine Nachricht aus Afghanistan beinahe unter. Das Parlament in Kabul hatte beschlossen, Außenminister Rangin Dadfar Spanta seines Amtes zu entheben. Spanta hat neben der afghanischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Der linke Politologe lebte und lehrte bis zu seiner Ernennung zum Außenminister in Aachen.

Offiziell begründeten die Parlamentarier den Schritt mit der Lage von Flüchtlingen an der Grenze zum Iran, weswegen auch der Minister für Flüchtlingsfragen, Muhammad Akbar Akbar, entlassen wurde. Die iranischen Behörden hatten Mitte April zehntausende Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgeschickt – darunter angeblich auch Besitzer einer Aufenthaltsgenehmigung. Afghanistans Präsident Hamid Karsai lehnte es jedoch ab, Spanta zu entlassen. Er bat das Verfassungsgericht, zu prüfen, ob ein Misstrauensantrag gerechtfertigt sei, obwohl die Flüchtlingsproblematik „keine direkte Verbindung“ zur Arbeit des Außenministers habe.

Beobachter fürchten seit langem, dass Spanta das nächste Opfer im Kampf zwischen moderaten und islamistischen Kräften wird. Den Antrag zu seiner Absetzung brachte die „Vereinigte Nationale Front Afghanistans“ um Expräsident Rabbani ein. Die Gruppe, der einige von Afghanistans schlimmsten Kriegsverbrechern angehören, geißelt den prowestlichen Spanta gern als „Ungläubigen“.

„Sie haben schon lange auf eine Gelegenheit gewartet, Spanta loszuwerden“, sagt Azita Rafht zur taz. Die Parlamentarierin beschreibt tumultartige Szenen im Parlament. Der Außenminister habe keine Fehler gemacht, so Rafht. Rabbanis Nationale Front versuche lediglich, ihre eigenen Gefolgsmänner in Ministerränge zu bringen. Wann sich das Verfassungsgericht mit dem Fall befasst, ist noch nicht klar. Rabbanis Front macht offenbar mit einem Streik zusätzlichen Druck auf Karsai, den Parlamentsentscheid zu akzeptieren. Seit Samstag habe keine der planmäßigen Sitzungen stattgefunden, so Rafht. ANETT KELLER