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Archiv-Artikel

Proteste bei Karlspreis-Verleihung an Solana

Rund 80 Demonstranten protestieren gegen Ehrung für den EU-Chefdiplomat. Für den PDS-Europaabgeordneten Tobias Pflüger ist der neue Karlspreis-Träger der „Hauptverantwortliche“ für den Nato-Krieg gegen Jugoslawien

AACHEN taz ■ Das obligatorische Bad in der Menge vor dem Aachener Rathaus dürfte sich der Karlspreisträger am Himmelfahrtstag anders vorgestellt haben. Nach seiner Ehrung wurde der EU-Chefdiplomat Javier Solana von rund 80 Demonstranten mit dem Sprechchor „Kriegstreiber“ empfangen. Anders als das Karlspreis-Direktorium fanden die Gegner, Solana habe nicht zum Frieden in Europa beigetragen.

Erstmals seit Jahren haben gestern wieder Menschen gegen die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen demonstriert. Während des Festaktes im Krönungssaales des historischen Ratshauses demonstrierten die Vertreter aus der linken Szene und der Friedensbewegung gegen die Ehrung von Javier Solana. Lautstarke Rufe wie „Aufhören“ und „Pfui“ begleiteten die auf eine Großbildleinwand auf dem teilweise von der Polizei abgeriegelten Marktplatz übertragenen Reden der Preisverleihung an den EU-Chefdiplomaten.

Anlass für den Protest war der Vorwurf der Demonstranten, dass Solana als Nato-Generalsekretär maßgeblich den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ auf Jugoslawien mitzuverantworten hat. Zugleich sei er in seinem jetzigen Amt verantwortlich dafür, dass die „Militarisierung der EU“ voranschreite, hieß es von Seiten der Kriegsgegner. Der für die Linkspartei.PDS im EU-Parlament sitzende Abgeordnete Tobias Pflüger kritisierte gegenüber der taz, Solana sei ein „Hauptverantwortlicher“ gewesen für das militärische Eingreifen der Nato im Jugoslawien-Krieg. Solana sei zudem ein „Symbol für eine globale Macht Europa, die so tut, als ob sie zivil ist, aber in Wahrheit ein militärischer Akteur“ sei. Derlei sei nicht preiswürdig, so Pflüger.

Völlig anders sahen das die Preisverleiher. Solana werde für seine Friedensbemühungen in Europa und in der Welt ausgezeichnet, wurde betont von Seiten des Karlspreis-Direktoriums. Der EU-Außenbeauftragte sei unermüdlich in den Krisenherden der Welt um Aussöhnung und Frieden bemüht, lobte Oberbürgermeister Jürgen Linden beim Festakt. Die Befriedung des Balkans sei sein „Meisterwerk“. Luxemburgs Premierminister und letztjähriger Karlspreis-Träger Jean-Claude Juncker nannte Solana in seiner Laudatio einen „aktiven Weltverbesserer“, der die Rolle Europas in der Welt gestärkt habe.

Solana selbst rief in seiner Dankesrede dazu auf, Europa zu einem „Global Player“ in der Friedenspolitik zu machen. Seine Vision sei ein Europa, das künftig mit einer Stimme spreche, sagte Solana. „Wir müssen eine nachhaltige Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik entwickeln,“ betonte er. Mit seinen Grundwerten Demokratie, Toleranz, Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit und seinen „soliden Institutionen“ sei Europa ein Vorbild in der Welt.

Kurz nach jenen Worten schallte dem Geehrten auf dem Marktplatz entgegen, er sei ein „Kriegstreiber“. Die Gegner schimpften den Preisträger und den seit 1950 für die Bemühungen um ein geeintes Europas verliehenen Karlspreis eine „Schande für Aachen“.MICHAEL KLARMANN