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Archiv-Artikel

Krefeld will qualmen

Offiziell hat der Krefelder Stadtrat gegen ein neues Kohlekraftwerk gestimmt. Jetzt wackelt der Beschluss. Der Investor verkündet in Lünen „die Wende“: Auch dort soll ein Kraftwerk gebaut werden

VON MIRIAM BUNJES

Ein neues Steinkohlekraftwerk im Chemie-Park Krefeld-Uerdingen wird trotz ablehnendem Stadtrats-Beschluss immer wahrscheinlicher. „Wir gehen davon aus, dass wir dieses Kraftwerk doch bauen werden“, sagte Trianel-Geschäftsführer Sven Becker bei einer Podiumsdiskussion in Lünen, wo die Stadtwerke-Kooperation ein – ebenfalls umstrittenes – Steinkohlekraftwerk bauen will. „Wir konnten die Politik überzeugen.“

Im März hatte der Krefelder Stadtrat entschieden, Trianel keine Baugenehmigung für ein 750 MegaWatt Steinkohlekraftwerk zu erteilen. „Ein Werk, das mehr als vier Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft bläst, wollen wir nicht“, sagte damals Ulrich Hahnen, Vorsitzender der Krefelder SPD-Fraktion der taz. Auch die regierende CDU verkündete, Klimaschutz beginne im Lokalen.

Jetzt kippt die Stimmung – vor allem, weil die Aachener Trianel ankündigte, die Stadtwerke der Nachbarstadt Duisburg wollten Fernwärme aus dem Uerdinger Kraftwerk beziehen. Die Klimabilanz falle so „neutral, wenn nicht gar positiv aus“, zitieren die Westfälischen Nachrichten SPD-Chef Hahnen. Zumal auch ein altes Steag-Kraftwerk in Duisburg-Walsum abgeschaltet werde. „Das ist nicht mehr das Kraftwerk gegen das der Hauptausschuss gestimmt hat.“

Das ursprüngliche Nein der Krefelder Politik war vor allem auf Druck einer Krefelder Ärzteinitiative zustande gekommen. 135 Ärzte hatten vor der Gesundheitsgefahr durch Feinstäube aus Kohlekraftwerken gewarnt. Diesen Weg gehen jetzt auch die Ärzte in Lünen: 34 haben sich bereits zusammengeschlossen, um gegen das für 2012 geplante Kohlekraftwerk zu protestieren. Ein Kraftwerk, das der Rat der Stadt befürwortet: Der Standort – vorher ein Windkraftvorranggebiet – wurde umgewidmet, alle Parteien außer den Grünen wollen die Millioneninvestition. Die Bevölkerung wird allerdings immer kritischer, vor allem, weil in Lünen schon zwei Kraftwerke stehen. Ein Bürgerinitiative hat bereits mehr als 4.000 Unterschriften gesammelt – genug, um den Rat zu zwingen, noch einmal abzustimmen.

Mit einer Infoveranstaltung wollte die Stadt am Dienstag von ihren Argumenten überzeugen. Statt Ratsvertretern saßen neben Trianel-Vertretern, Bundes- und Landtagsabgeordnete und der Vorsitzende der Bürgerinitiative. „Lünen braucht Industriearbeitsplätze“, nannte Laurenz Meyer (CDU und langjährig bei RWE) das Hauptargument der Lüner Politik. „Ohne Kernkraft brauchen wir moderne Kohlekraftwerke.“ Auch Kohlefan Norbert Römer (SPD und IGBCE-Funktionär) betonte, dass ohne moderne Kohlekraftwerke die Klimaschutzziele nicht einzuhalten seien. Reiner Priggen, Energiepolitiker der NRW-Grünen-Fraktion, hielt dagegen: Ein neues Kohlekraftwerk ohne Kraft-Wärme-Kopplung wie das Lüner „zementiere die alten Strukturen“. So könne die Bundesregierung den CO2-Ausstoß nicht wie angekündigt mit um 40 Prozent senken. Das Lüner Werk würde schließlich mindestens 40 Jahre laufen und auch „die Baujahre ab 1980 sind immer noch am Netz“. Die Bevölkerung interessierte wie in Krefeld vor allem die Auswirkungen des Kraftwerks auf ihre Luft und ihre Gesundheit. „Wir halten alle Grenzwerte“, so Trianel. Dass das gesund ist, bezweifelten viele der mehr als 700 Lüner.