: Jukebox
Ein Flickenteppich mit lose heraushängenden Fäden
Dass Musik vom Balkan, so archaisch, melancholisch und traditionell sie auch wirkt, sich prima mit zeitgenössischem Pop vertragen kann, ist so neu nicht. Der Frankfurter DJ und Produzent Shantel lädt schon seit fünf Jahren zu seinem Bucovina Club, und im vergangenen Jahr war der gerade mal 20-jährige Zack Condon aka Beirut mit seinem Album „Gulag Orchestra“ ein Liebling aller Jahreslisten. Die schönste Fusion von Pop und osteuropäischen Einflüssen in jüngster Zeit liefert aber das Duo A Hawk and A Hacksaw (abgekürzt: AHAAH) mit seinem stimmungsvollen Album „The Way The Wind Blows“. AHAAH besteht aus dem Multiinstrumentalisten Jeremy Barnes und der Violinistin Heather Trost. Wie Condon, der die Platte mitproduziert und ihr den poppigen Touch verpasst hat, stammen die beiden aus Albuquerque in New Mexico.
Dass die Weiten dieser amerikanischen Wüstenlandschaft ein guter Ort für melancholische Sehnsuchtsmusik sein können, haben schon Calexico mit ihrer Mischung aus Alternative Country und mexikanischer Volksmusik unter Beweis gestellt. AHAAH klingen zwar anders, ihre Herangehensweise ist aber ähnlich eklektizistisch. Mit „The Way The Wind Blows“ haben sie die zu einem eingängigen Ganzen amalgamiert.
So rund war der Sound von AHAAH nicht immer, spannend schon. Vielleicht ist das Debüt – „A Hawk and A Hacksaw“ heißt es und erschien 2003 – sogar nachhaltiger, weil disparater, wilder – ein Flickenteppich, aus dem mehr lose Fäden heraushängen als bei dem romantisierten Südosteuropa, das ihr aktuelles Album dominiert. Das ist manchmal ein bisschen anstrengend. Dafür gibt es aber bei jedem Hören etwas Neues zu entdecken.
Auf dieser Platte war Barnes, der bei Auftritten gerne mehrere Instrumente auf einmal spielt, noch solo unterwegs. Die Jahre davor hatte er in Europa verbracht, arbeitete als Briefträger in England und spielte bei den elektronisch inspirierten Psychedelikern von Broadcast. Dann bündelte er die Ideen, die in ihm herumsprudelten, und spielte in der französischen Pampa besagte Platte ein. Auf der sind neben vielen Einflüssen von moderner Klassik über Vaudeville bis zu osteuropäischer Folkmusik auch noch ein Hahn, Gänse und Katzen zu hören. Wirre, aber lustige Träume treffen auf die Atmosphäre eines dösigen, vor sich hinplänkelnden Hochsommertages auf dem Land, zusammengehalten wird das alles von wunderbaren, versponnen Übergängen. STEPHANIE GRIMM