Politiker sind sich endlich mal einig

INKLUSION Die Zugehörigkeit behinderter Kinder im Schulsystem kostet Geld, sagen alle Parteien im Abgeordnetenhaus. Uneins sind sie trotzdem

„Das Elternwahlrecht darf nicht nur auf dem Papier stehen“

HILDEGARD BENTELE, SCHULPOLITSCHE SPRECHERIN DER CDU-FRAKTION

Eine gute Nachricht für Schüler und Eltern konnte die Bildungssenatorin immerhin verkünden: Die zusätzlichen Schulhelferstunden, die sie kürzlich bewilligt hatte, werden auch im kommenden Jahr voll finanziert. „Da bin ich mir mit meinem Kollegen Nußbaum einig“, sagte Sandra Scheeres (SPD) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus – halb in Richtung der Opposition, die über den „Stillstand“ bei der Inklusion debattieren wollte, halb in Richtung des Finanzsenators, der auch nach Scheeres’ Ansicht mehr Geld für dieses Feld lockermachen muss.

Anfang des Schuljahrs hatten sich die Klagen von Eltern gehäuft, dass ihre behinderten Kinder keine Schulhelferstunden genehmigt bekommen. Grund: Der Etat für die Helfer ist seit Jahren gedeckelt, gleichzeitig drängen immer mehr behinderte Kinder an die Regelschulen. Daraufhin hatte Scheeres 750.000 Euro bis Jahresende für 18 Prozent mehr Schulhelferstunden bewilligt. Diese Erhöhung gilt nun offenbar für das ganze Schuljahr.

Allerdings gehe dies zulasten anderer Inklusionsprojekte, beklagte der Piraten-Abgeordnete Alexander Spies, da das Geld aus dem Topf für den behindertengerechten Umbau von Schulen genommen werden soll. Spies forderte, die Deckelung des Schulhelfer-Etats ganz aufzuheben und alle Bereiche von Inklusion – etwa auch den Nahverkehr – finanziell so auszustatten, wie es der Bedarf erfordert.

Fehlendes Geld und fehlende Konzepte waren auch die Leitmotive der anderen Oppositionspolitiker in ihrer Kritik am Senat. So monierte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Regina Kittler, der Regierende Bürgermeister und der Sportsenator brüsteten sich in der Olympiabewerbung zwar damit, dass „Teilhabe und Inklusion originäre Berliner Themen“ seien. Dabei fehle jedoch der Zusatz: „Aber nur, wenn es nicht viel Geld kostet.“

Es sei nicht einmal möglich, die bisherigen Erfolge bei der Integration fortzuführen, so Kittler, weil die personelle, sachliche und räumliche Ausstattung fehle. Es mangele an mindestens 300 Sonderpädagogen und ebenso vielen Schulhelfern, die Zahl der Förderstunden sei in zehn Jahren halbiert worden.

Konzeptionell, kritisierte Kittler, gehe es auch nicht voran. Seit der Expertenbeirat „Inklusive Schule in Berlin“ im Februar vorigen Jahres seine Empfehlungen vorgestellt habe, sei nichts mehr passiert. Scheeres hatte den Beirat einberufen, um das von ihrem Vorgänger geerbte „Konzept Inklusive Schule“ zu überarbeiten. Die Umsetzung dieser Empfehlungen scheiterte im vorigen Jahr unter anderem daran, dass das Abgeordnetenhaus kein Geld für zusätzliche Sonderpädagogen herausrücken wollte.

Dennoch sei seitdem einiges geschehen, rechtfertigte sich Scheeres. In vier Bezirken seien in diesem Schuljahr sogenannte Beratungs- und Unterstützungszentren (BUZ) eingerichtet worden, die Schulen und Eltern beraten sowie alle Akteure der Inklusion vernetzen sollen. Auch die anderen Bezirke würden im laufenden Schuljahr je ein BUZ bekommen, versprach die Senatorin. Für die kommenden Haushaltsverhandlungen kündigte sie an, erneut mehr Geld für Sonderpädagogen zu verlangen.

Gut möglich, dass sie damit wieder scheitert – und zwar nicht nur wegen des Geldes, sondern auch, weil das gesamte Konzept in der Koalition nach wie vor umstritten ist. So erklärte Hildegard Bentele, schulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, ihre Fraktion sei weiterhin „skeptisch“ gegenüber zentralen Elementen wie der weitgehenden Abschaffung der Sonderschulen für Kinder mit lern-, sprach- und sozialen Schwächen. „Das Elternwahlrecht [zwischen Sonder- und Regelschule, d. Red.] darf nicht nur auf dem Papier stehen“, sagte Bentele.

Wie es weitergehen soll, hat Scheeres in einem Eckpunktepapier zusammengefasst. Dies werde zurzeit vom Senat „mitgezeichnet“. Wenn sie sich da nicht täuscht. SUSANNE MEMARNIA