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Archiv-Artikel

Warnung: Der Sparkurs gefährdet den Euro

WOHLSTAND Sozialdemokraten, Grüne und Linke fordern eine Wende in der europäischen Wirtschaftspolitik. Das Sparen stelle den sozialen Frieden und eine nachhaltige Entwicklung in Frage

„Wir sind es leid, nur Austeritätsvorschläge zu hören“

UDO BULLMANN, SPD

VON GERT STUBY

BRÜSSEL taz | In einem leidenschaftlichen Appell fordern Sozialdemokraten, Grüne und Linke aus Deutschland, Frankreich und anderen EU-Ländern eine Wende in der europäischen Wirtschaftspolitik. Der einseitige Sparkurs gefährde den sozialen Frieden und bringe den Euro in Gefahr, warnen Daniel Cohn-Bendit, Jürgen Trittin, Sigmar Gabriel, die französische Sozialistenchefin Martine Aubry und der frühere Kommissionspräsident Jacques Delors.

Der Aufruf, der mehr als 900 Unterschriften trägt, geht auf eine Initiative im Europaparlament zurück. Mehrere Wirtschafts- und Finanzexperten, darunter der Grüne Sven Giegold und der SPD-Politiker Udo Bullmann, wollten angesichts der eskalierenden Griechenland-Krise und immer härterer Sparforderungen ein Zeichen setzen. Wichtige Impulse kamen dabei aus Frankreich, wo die Sozialisten bereits im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen 2012 sind, und aus Spanien, wo die Jugendbewegung der „Empörten“ für Unruhe sorgt. So geht der Appell ausdrücklich auf die massive Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa ein.

Der Aufruf zielt aber auch auf Brüssel und Berlin, wo derzeit eine weitere Verschärfung der Regeln für die Eurozone vorbereitet wird. „Die von EU-Kommission und Ministerrat eingebrachten Gesetzesvorschläge zur wirtschaftspolitischen Steuerung stellen in beispielloser Weise die Prinzipien unserer Wertegemeinschaft in Frage: Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und nachhaltige Entwicklung“, heißt es in dem Text. Unter dem Deckmantel einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik würden „ideologische Entscheidungen gefällt, die nicht nur den sozialen Zusammenhalt Europas gefährden, sondern auch die ökologische Modernisierung unseres Wirtschaftsmodells“.

Die Unterzeichner bekennen sich zwar zu „tragfähigen Staatshaushalten“, fordern aber eine Neuorientierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf soziale und ökologische Ziele. „Wir sind es leid, nur Austeritätsvorschläge zu hören“, sagt Mitinitiator Bullmann (SPD). Die EU müsse auch Investitionen in erneuerbare Energien oder in die Bildung fördern. Außerdem solle Brüssel ein Wachstumsprogramm für Südeuropa auflegen, um Krisenländern wie Griechenland oder Portugal eine neue Perspektive zu geben. Zur Finanzierung fordern die Unterzeichner unter anderem die Schaffung von Eurobonds und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Zu den Erfolgsaussichten des Appells äußerte sich Bullmann zurückhaltend. Der Text müsse erst einmal in ganz Europa verbreitet und diskutiert werden. Einen ähnlichen Appell hatte es bereits 2008 vor Beginn der globalen Finanzkrise gegeben. Damals hatten prominente Europapolitiker eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte gefordert. Kommissionschef José Manuel Barroso wies den Vorstoß zurück; kurz danach wurde auch Europa in den Strudel der Finanzkrise gezogen.