: Israelkritiker: Gysi hat uns erpresst
LINKSPARTEI Parteilinke sind empört über Gysis Vorgehen beim Antisemitismusbeschluss. Er habe indirekt mit seinem Rücktritt gedroht
VON PAUL WRUSCH
BERLIN taz | In der Linkspartei ist erneut ein innerparteilicher Kampf entbrannt. Der linke Flügel der Partei wirft Fraktionschef Gregor Gysi vor, sie beim sogenannten Antisemitismusbeschluss der Fraktion erpresst und brüskiert zu haben.
„Andersdenkende sollten eingeschüchtert, stigmatisiert und letztlich aus der Fraktion gedrängt werden“, sagte der Bundestagsabgeordnete Harald Koch der taz. Das sei einer linken Partei unwürdig. Es sei eine „Tabugrenze im innerparteilichen Umgang überschritten worden“.
Hintergrund der Kritik ist der einstimmige Fraktionsbeschluss vom Dienstag, mit dem sich die Linkspartei vom Antisemitismus distanzieren wollte. Darin heißt es: „Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahostkonflikt, die eine Einstaatenlösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte, noch an der diesjährigen Fahrt einer ‚Gaza-Flottille‘ beteiligen“. Gysi soll während der mehrstündigen Debatte indirekt mit Rücktritt gedroht haben, sollte der Beschluss abgelehnt werden. Über 20 Abgeordnete haben in der Sitzung das Vorgehen Gysis kritisiert, den Beschluss als unterwürfig und politisch unklug bezeichnet. Vor der Abstimmung verließ über ein Dutzend den Raum.
„Man kann nicht hinterher von Einstimmigkeit reden, wenn zuvor etliche heftig Kritik geübt haben und demonstrativ den Raum verlassen haben“, sagte Ulla Jelpke. Solche „Disziplinierungsversuche“ würden in einer Partei, die sich als demokratisch versteht, nicht funktionieren. Ihr Fraktionskollege Andrej Hunko sprach von „Erpressung“ und der „Unterwerfung des linken Flügels“.
„Man hätte inhaltlich diskutieren müssen, welche Aktionen vertretbar sind, und das nicht per Dekret verordnen“, kritisiert auch Kathrin Vogler. Diese inhaltliche Debatte stehe noch aus. Denn was die Partei unter Antisemitismus verstehe und was nicht, sei unklar. Eine solche Definition fordert auch Ulla Jelpke. Einige Vorschläge hat sie bereits. Die genannten Punkte Einstaatenlösung, Boykottaufrufe und Gaza-Flotte jedenfalls sind für sie „nicht per se antisemitisch“.