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Archiv-Artikel

„Humor ist Überleben“

WIDERSTAND Der Regisseur Fatih Akin erhält Morddrohungen, sein neuer Film handelt vom Genozid an den Armeniern. „Wut ist ein Geschenk“, sagt er

Fatih Akin

■ 41, ist Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent. Seine Eltern zogen in den Sechzigern aus der Türkei nach Deutschland. Akin wurde in Hamburg geboren, wo er auch heute mit seiner Frau und zwei Kindern lebt. Sein vierter Film „Gegen die Wand“, der 2004 mehrfach ausgezeichnet wurde, machte ihn international bekannt. Sein neuer Film „The Cut“ über den Genozid an den Armeniern wurde lang erwartet. Beim Filmfestival in Venedig gab es dann Buhrufe. Fatih Akin erhielt Drohungen von türkischen Nationalisten. „The Cut“ läuft seit dieser Woche im Kino.

STICHWORTE ALEM GRABOVAC

Erste Erinnerungen

Habe ich vergessen.

Kindheit

Meine Kindheit war wie ein schöner Abenteuerroman.

Hamburg-Altona

Hat einen guten Bahnhof. Leider wollen sie den abreißen.

Türk Boys

Die Sehnsucht nach Großstadt-Romantik.

Vater-Sohn-Beziehung

Mein Vater war und ist mir in vielen Dingen noch ein Vorbild.

Mutter-Sohn-Beziehung

Ich liebe sie. Und sie liebt mich.

Filmemacher

Ich kann leider nichts anderes.

Realität

Brauche ich zum Filmemachen.

Fiktion

Brauche ich auch zum Filmemachen.

Deutsches Kino

Das deutsche Kino ist meine andere Heimat.

Türkisches Kino

Ist Urlaub von meiner anderen Heimat.

Schönste Filmszene

De Niro in „Raging Bull“, der, nachdem er so derbe verprügelt worden ist, seinem Gegner Sugar Ray Robinson gegenübertritt und ihm sagt: „You never get me down, Ray. You never get me down!“

Bester Satz in einem Film

Brandos Monolog in „On the Waterfront“ von Elia Kazan. Terry: „You don’t understand. I coulda had class. I coulda been a contender. I coulda been somebody, instead of a bum, which is what I am, let’s face it. It was you, Charlie.“

Filmkritiker

Sparringspartner beim Boxen.

Boxen

Boxen ist eine Philosophie, um durchs Leben zu gehen.

Fußball

Interessiert mich eigentlich nur alle vier Jahre.

Rauchen

Ich bin im Großen und Ganzen Nichtraucher.

Recep Tayyip Erdogan

Politiker kommen und gehen.

Gezipark-Proteste

Ein Ausdruck von Kraft und Widerstand in seiner pursten Form.

Völkermord an den Armeniern

Meine Gedanken zum Völkermord an den Armeniern passen nicht in einen Satz.

Vaterlandsverräter

Klingt wie ein Kompliment.

Morddrohungen

Klingt wie gutes Marketing.

Angela Merkel

Politiker kommen und gehen.

Edward Snowden

Edward Snowden beweist, dass der Lebensentwurf aus dem Silicon Valley nicht das Optimum sein muss.

NSU

Wir müssen endlich Klarheit über die Rolle des deutschen Verfassungsschutzes haben.

Terrormiliz IS

Dazu fällt mir eine Zeile von John Lennon ein: „Imagine there’s no countries.“

Istanbul

Es gibt sehr gute Flugverbindungen von Hamburg nach Istanbul.

Hamburg

Es gibt sehr gute Flugverbindungen von Istanbul nach Hamburg.

Identität

Stets in Bewegung.

Vatersein

Die unendliche, die nie aufhörende Bemühung, es richtig zu machen.

Frauen

Frauen finde ich gut.

Männer

Männer finde ich auch gut.

Schönheit

Man braucht ein wenig Demut, um sie zu erkennen.

Ehe

Gibt halt immer mehr Dinge im Leben, denen man nicht mehr vertrauen kann. Die Ehe, für mich, ist mit fortschreitender Zeit der Raum meines Vertrauens.

Liebe

Liebe ist Ordnung. Wo Unordnung ist, kann keine Liebe sein.

Erotik

Ist halt leider auch nur ein chemischer Prozess im Hirn. (Klingt nüchtern, oder?)

Sex

Der kurze Moment des Orgasmus ist ein Moment absoluter Freiheit.

Seitensprung

Seitensprünge ergeben gute Drama-Situationen in Filmen.

Geld

Ist ein Surfbrett.

Erfolg

Es gibt den äußeren Erfolg und den inneren. Oft widersprechen die sich.

Missgunst

Wenn man Missgunst erntet, muss man irgendwas richtig gemacht haben.

„Wenn man Missgunst erntet, muss man irgendwas richtig gemacht haben“

Kapitalismus

Hoher Wellengang beim Surfen.

Utopien

Es wird immer schwieriger, sie zu erkennen.

Humor

Humor ist Überleben.

Sehnsucht

Ganz profan: ein weißer Strand, ein türkisfarbenes Meer und ein paar Kokospalmen.

Ängste

Man braucht ein paar davon. Leider. Leider.

Das Böse

Doch wenn die Ängste dominieren, dann herrscht das Böse.

Feinde

Ein süßes Leben ist die beste Rache.

Glück

Habe ich dankbarerweise viel erlebt in meinem Leben.

Wut

Wut ist ein Geschenk.

Luxus

Der größte Luxus ist, klingt zwar abgedroschen, Zeit. Zeit, ein Buch zu lesen.

Hoffnungen

Ist das Licht am Ende des Tunnels.

Älterwerden

Macht mir bisher Spaß.

Glauben

Ist all das, was man nicht weiß.

Gott

Taucht immer wieder in meinen Abspännen auf.

Alem Grabovac, 40,

Autor der taz.am wochenende, kennt die Türkei nicht, aber Hamburg