Wahnsinn Wachstum : KOMMENTAR VON HANNES KOCH
Rupert Stadler, der Vorstandsvorsitzende des Autokonzerns Audi, hat kein Interesse an Klimaschutz. Für seine Karossen vom Typ A8, A6, Q7, R8 dürften keine strengen Kohlendioxidgrenzwerte gelten, forderte er diese Woche. Sonst könne man sie nicht mehr verkaufen. So einfach ist das. Da können Grünen-Chefin Renate Künast, Bundeskanzlerin Angela Merkel oder UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erzählen, was sie wollen. Räder müssen rollen.
Man kann davon ausgehen, dass Stadler sagt, was auch die Chefs von VW, BMW und DaimlerChrysler denken. Lässt sich der Klimawandel angesichts dieser Renitenz wirklich aufhalten oder wenigstens mildern? Obwohl mittlerweile zum Standardwissen der dritten Klasse gehört, dass der Ausstoß von Klimagasen reduziert werden sollte, steigt in diesen Jahren die Zahl der Autofabriken steil an. 180 Werke sind weltweit geplant oder im Bau, bald werden 110 Millionen Fahrzeuge pro Jahr hergestellt – doppelt so viele wie heute. Wenn man den Schadstoffausstoß des Autoverkehrs in den nächsten Jahrzehnten halbieren will, was zweifellos ratsam erscheint, müsste angesichts des Mengenwachstums die CO2-Emission pro Fahrzeug auf ein Viertel sinken.
Wenig spricht dafür, dass das passiert. Denn es widerspricht der Logik des Wirtschaftssystems, in dem wir leben. Die Marktwirtschaft ist ausgerichtet auf permanente Expansion. Aber lassen sich Ökonomie und Ökologie nicht doch miteinander versöhnen? Kann man nicht die Win-win-Situationen erreichen, von denen Umweltminister Sigmar Gabriel immer spricht – viele Arbeitsplätze und trotzdem saubere Luft? Theoretisch ja. Und praktisch? Das Wachstum im Kapitalismus spielt sich nicht überwiegend im Second Life des Internets ab, sondern auf den realen Märkten, Straßen und Ölfeldern.
Und doch soll man an das Gute glauben – auch wenn man es nicht gut glauben kann. Machen wir einen Selbstversuch: Wir kaufen keine Audis mehr. Eigentlich ganz einfach. Und reden mit unseren Freunden darüber. Auf diese Art werden auch einige Ärzte und Rechtsanwälte erfahren, dass man keine Audis mehr kauft. Und am Schluss auch Herr Stadler.