nebensachen aus jerusalem : Verschekelt mit dem Dollarkurs
„Du fährst doch oft ins Ausland, willst du mir nicht zweihundert Dollar abkaufen?“ fragt Klara, Kunstlehrerin der 1. Klasse. Ich rate ihr, noch eine Weile damit zu warten. Ausgerechnet jetzt, wo der Dollar ein neues Rekordtief erreicht hat, scheint mir der Handel für sie ungünstig. Zwei Tage später – der Dollar ist inzwischen um weitere 0,8 Prozent gefallen – ruft sie wieder an. „Wir machen das heute“, bestimmt sie, „aber zum Kurs von vorgestern, schließlich hast du mir zum Abwarten geraten.“
Der dramatische Dollarabfall von rund 15 Prozent seit Anfang letzten Jahres sorgt für Verwirrung unter den Israelis. Jahrzehntelang wurden Gehälter in Dollarbeträgen vereinbart, Mieten und Bankkredite richten sich bis heute nach dem Dollarkurs. Grund für dieses Vorgehen war der inflationäre Schekel. Nun ist die israelische Währung schon eine ganze Weile stabiler als die US-amerikanische, was den Chef der Israel-Bank darüber nachdenken lässt, die bisherige Berechnung abzuschaffen.
Doch so weit ist es noch nicht. Und während die täglich neu verkündeten Dollarkurse selbst den kleinen Mann zum Spekulanten werden lassen, knapsen andere daran, einen an den Dollar gebundenen Kredit aufzunehmen. Oder ihn abzuzahlen.
„150.000 Schekel habe ich schon drangesetzt“, schimpft Sima, die vor eineinhalb Jahren einen Kredit für den Bau eines Hauses aufgenommen hat, von dem noch nicht einmal das Fundament gelegt ist. Nach dem aktuellen Dollarkurs hätte sie für ihre aufgenommenen 250.000 Dollar wenig mehr als 1 Million Schekel zurückzahlen müssen. Aber nach der alten Umtauschrate ist es deutlich mehr. Den Kredit jetzt zu kündigen, wäre unklug. So hofft sie auf ein Umschwenken des Währungskurses.
Der kleine Mieter sollte sich Gedanken machen, wann er die zwölf Schecks für das kommende Jahr überreicht. Die Vorauszahlung ist üblich, ebenso wie Preisnachlässe bei Barzahlung der Jahresmiete. Den rechten Zeitpunkt für das Treffen mit dem Hausbesitzer abzupassen, kann sich mit etwas Glück auszahlen. Es kann aber auch genau umgekehrt laufen. Einen Mieterschutz gibt es im Heiligen Land nicht.
Nurit, Touristenführerin aus Tel Aviv, musste einen Anwalt engagieren, damit der den Konflikt mit der Hausverwaltung beilegt. Um rund 18 Prozent sollte Nurits Miete erhöht werden, aber „was passiert, wenn der Dollar wieder steigt“, fragt sie. Ohne Anwalt wird die Miete dann kaum wieder herabgesetzt werden.
Wenigstens beim Kauf von Importprodukten, so sollte man meinen, wird der Verbraucher jetzt sparen. Doch weit verfehlt. Die Händler passen eiligst ihre Preise dem aktuellen Umtauschkurs an. Dem Durchschnittsbürger bleibt nur noch „Duty-free“ auf dem Flughafen. Dort kann per Kreditkarte in Dollar bezahlt werden. Ein Wochenend-All-Round-Ticket nach Istanbul oder Athen ist nicht so teuer. Wer am Flughafen viel kauft, hat die Reisekosten schnell wieder drin. Nur muss er sich beeilen, denn auch die Duty-free-Shops wollen ihre Preise demnächst anpassen. „Logisch“, sagt Sima desillusioniert. „Warum sollten wir kleinen Leute auch mal in den Genuss eines Vorteils kommen?“
SUSANNE KNAUL