Hartes Los Opposition

Vor zwei Jahren wählte Nordrhein-Westfalen Rot-Grün ab. Um Identität ringen die Sozialdemokraten noch immer

Heute vor zwei Jahren: In der Landeszentrale der CDU an der Düsseldorfer Wasserstraße feiern führende Christdemokraten ihren Wahlsieg. Nach 39 Jahren haben sie die SPD von der Macht verdrängt. Als der damalige SPD-Chef Franz Müntefering Neuwahlen auch im Bund ankündigt, herrscht bei den Christdemokraten ungläubige Stille.

Später bei der SPD. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig tröstet eine weinende Genossin. Machnig ist heute Staatssekretär in Berlin, wo auch der ehemalige Regierungschef der NRW-Sozialdemokraten, Peer Steinbrück, als Finanzminister amtiert. Andere Spitzengenossen sind wie Ex-Energieminister Axel Horstmann oder Ex-Gesundheitsministerin Birgit Fischer in die Wirtschaft gewechselt, arbeiten für EnBW oder die Barmer Ersatzkasse. Auch das grüne Ministerduett ist weg. Michael Vesper ist Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes, Bärbel Höhn macht Umweltpolitik im Bundestag.

Dem Rest bleibt die Opposition mit Hannelore Kraft. Die 45-jährige SPD-Chefin gibt eine aggressive Oppositionsführerin – und manchmal gelingt ihr das: Sie hat Lehren aus der Pisa-Debatte gezogen. Die Bildungsmisere beantwortet Kraft mit dem Aus für das selektive dreigliedrige Schulsystem, fordert eine Schule für Alle. Edgar Moron, ihr Vorgänger als Fraktionschef, hatte die Gesamtschuldebatte noch vermieden, das Thema Chancengerechtigkeit so verspielt.

In der Frage der auslaufenden Steinkohlesubventionen, im Diskurs um neue Armut und Arbeit könnte Kraft ähnlich viel Mut brauchen: Sie vernachlässigt die soziale Frage. Nicht umsonst warnt Nordrhein-Westfalens DGB-Chef Guntram Schneider, die Linkspartei sei „Fleisch vom Fleische der SPD“. Bildung allein ist keine Antwort auf Hartz: Bundesweit kann sich fast jeder zehnte Sozialdemokrat vorstellen, zur Linkspartei zu wechseln. Gibt Kraft gerade ihrer Kernwählerschaft im von struktureller Arbeitslosigkeit gebeutelten Ruhrgebiet keine Antwort aus der Armutsfalle, bleibt die Re-Sozialdemokratisierung etwa Essens oder Duisburgs ein Traum.

Ernsthaft besorgt um ihren ehemaligen Koalitionspartner sind die Grünen: Sollten die Sozialdemokraten bei ihrer Verweigerung gegenüber der Linken bleiben, brauche es im künftigen Fünf-Parteien-System Nordrhein-Westfalens mehr als drei Jahre, bis die SPD wieder regiert. ANDREAS WYPUTTA