Berliner Platten : Reisen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten: die neuen Alben von 17 Hippies und Bee and Flower
So hurtig war man selten in einem fernen Land. Kaum hat „Heimlich“ begonnen, fiedeln schon die Fiedeln, quietscht die Mundharmonika, brausen die Bläser, kreischt die Pikkoloflöte, und schon haben einen die 17 Hippies auf einen Jahrmarkt entführt, der seine Zelte aufgeschlagen hat an einem imaginären Ort zwischen Orient und Okzident.
Das Tempo des Eröffnungssongs des neuen Albums unserer liebsten Weltmusikverwurster ist ungesund schnell, signalisiert aber vor allem: Die nun schon zwölf Jahre alte Maschine läuft immer noch gut geölt auf allen Zylindern. Im Anschluss an den eröffnenden „Schattenmann“ wird die Geschwindigkeit zwar verlangsamt, aber trotzdem wirkt das Album wie ein abgegriffener, ausgelesener Reiseführer, der einem nach jahrelangem Gebrauch ans Herz gewachsen ist, obwohl er langsam aus dem Leim geht: Die Reise geht auf den Balkan, Frankreich wird per Chanson besucht, „Tick Tack“ ist ein Ausflug nach Nashville im Shuffle-Rhythmus. Auch das Sprachenwirrwarr ist wieder komplett: Gesungen wird in Deutsch, Französisch, Englisch.
Allerdings: Immer noch haben die 17 Hippies ihre Probleme, ihre legendären Qualitäten als Live-Kapelle auch auf Studioproduktionen einzufangen. „Heimlich“ ist – neben sechs Konzertmitschnitten – erst das zweite unter Laborbedingungen entstandene Album, und das ist auch zu hören. Die Balance zwischen Melancholie und Partylaune, die das Musikantenkollektiv auf der Bühne so selbstsicher wie seelenruhig findet, ist offensichtlich nur schwer zu konservieren. „Heimlich“ ist sicherlich eine prima Platte, aber die wahren 17 Hippies, die muss man halt gesehen haben.
Im Gegensatz zu den 17 Hippies sind Bee and Flower vor allem selbst weit gereist. Dana Schechter und Roderick Miller zogen von New York nach Berlin – ursprünglich nur für drei Monate, um ihr zweites Album aufzunehmen. Nun sind sie allerdings, wie so viele andere von den niedrigen Mieten begeisterte Amerikaner, hängen geblieben und nach nur fast drei Jahren erschien nun auch endlich der Anlass des Umzugs: „Last Sight of Land“ allerdings klingt so gar nicht großstädtisch, nicht nach Berlin und schon gleich gar nicht nach New York.
Statt hektischem Großstadtleben bildet das Duo in seinen getragenen, fast epischen Songs eher zerklüftete Küstenlandschaften ab. Auf dem Cover findet sich denn auch ein dramatischer, wolkenverhangener Blick hinaus aufs Meer. Getupftes Klavier und gerührtes Schlagzeug bilden die Grundlage, ergänzt von Vibrafon, Glockenspiel und Elektronik, sparsam eingesetzten Streichern oder der Steelguitar des alten Haudegens Kristof Hahn. Die Instrumentierung ist zwar bisweilen orchestral, die Anmutung aber nichtsdestotrotz sehr luftig, fast schon reduziert. Darüber singt Schechter mit einer Stimme zwischen verträumt und verloren meist von der Liebe, mal von der Sehnsucht und einmal auch vom Fernweh. Mit Bee and Flower reist man ebenfalls in ferne Länder, nur halt entschieden langsamer.
THOMAS WINKLER