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Archiv-Artikel

Kompromisse fürs Klima

Ohne Zugeständnisse an den Süden gibt es kein neues Abkommen zum Klimaschutz, sagt Umweltminister Gabriel. G-8-Minister tagen in Potsdam

VON HANNES KOCH

Ein neues weltweites Abkommen zum Klimaschutz lässt sich Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zufolge nur erreichen, wenn der Norden dem Süden auch wirtschaftlich entgegenkommt. Vor allem müssten die abgebrochenen Verhandlungen über die Liberalisierung des Handels neu starten, so Gabriel. Wenn Staaten wie Brasilien ihre Produkte ohne Behinderungen nach Europa liefern könnten und die Industriestaaten ihre Subventionen reduzierten, bestünden auch bessere Aussichten für eine gemeinsame Politik zum Schutz des Weltklimas.

Einige Schritte in Richtung eines neuen Klimaschutz-Abkommens will Gabriel heute und morgen in Potsdam machen. Im dortigen Schloss Cecilienhof treffen sich bis Samstag die Umweltminister der acht wichtigsten Industriestaaten des Nordens (G 8) – der USA, Japans, Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, Russlands – und der fünf großen Schwellenländer China, Indien, Brasilien, Südafrika und Mexiko. Der Plan der Konferenz aus deutscher Sicht: die Vorbereitung eines Beschlusses der G-8-Staatschefs, die sich Anfang Juni in Heiligendamm an der Ostsee treffen, und der Startschuss für weltweite Klimaverhandlungen im November. Das gegenwärtige Klimaschutz-Abkommen von Kioto läuft nur bis 2012 – danach muss etwa Neues kommen.

Gabriel wurde nicht müde darauf hinzuweisen, dass das alles sehr kompliziert werde. Schon die Interessen der 15 Staaten, die jetzt in Potsdam am Tisch sitzen, gehen oft weit auseinander. So hat US-Präsident George Bush mit internationalen Abkommen nicht viel im Sinn. Trotzdem ist Gabriel optimistisch, schließlich auch die US-Regierung in den Verhandlungsprozess einbeziehen zu können. Die Voraussetzung sei allerdings, dass der Emissionshandel mit Verschmutzungsrechten in Europa funktioniere. Wenn Klimaschutz mit Hilfe der Finanzmärkte Geld abwerfe, würden auch die USA einsteigen. „Alles andere wäre unamerikanisch“, sagte Gabriel.

Um einen Verhandlungsprozess in Gang zu setzen, müsse man erst einmal Vertrauen und gegenseitiges Verständnis für die jeweiligen Interessen schaffen, erklärte Achim Steiner, der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, gestern in Berlin. Er plädierte dafür, dass die Industriestaaten die Schwellenländer nicht ständig mit Forderungen bedrängen, sondern auch einmal deren Leistungen beim Klimaschutz anerkennen sollten. Brasilien beispielsweise habe die Entwaldung im Amazonas-Becken stark verlangsamt. „Wir müssen Signale senden“, so Steiner, damit die Klima-Konferenz auf Bali im kommenden November ein Erfolg werde.

Umweltminister Gabriel verglich die gegenwärtige Situation mit der Zeit des Kalten Krieges. Wie damals die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) „brauchen wir heute eine Sicherheitspartnerschaft für den Klimaschutz“, so Gabriel.

Das hört sich plausibel an, kann die Umweltverbände aber nicht richtig zufrieden stellen. Der World Wide Fund for Nature (WWF) etwa fordert, dass die Umweltminister und Staatschefs der G-8-Staaten und der fünf Schwellenländer konkrete Ziele anpeilen. Dazu müsse die Festlegung gehören, dass die „weltweiten Emissionen bis 2050 halbiert werden“ und die Industrieländer ihren Kohlendioxid-Ausstoß im selben Zeitraum um 60 bis 80 Prozent reduzieren.

Mit derartigen Zielsetzungen sei er vorsichtig, meinte Gabriel – man müsse sehen, was realistisch sei: „Es gibt keine Alternative zu Verhandlungen. Wenn eine blöd gelaufen ist, lädt man für die nächste ein.“