Venus, Eva, Beauty und Heidi

AUSSTELLUNG Mit Skulpturen und Videos aus der Kunsthalle hinterfragt die Schau „Spieglein, Spieglein“ in der Sparkasse das heute gängige Schön- also Schlankheitsideal

Der Kuratorin geht es vor allem um eines: Einen „anderen Blick auf den Schlankheitswahn“ zu vermitteln

VON JAN ZIER

Schönheit ist in aller Regel jung und weiblich, vor allem aber ist sie nackt. So sehr sie auch im Auge der BetrachterInnen liegen mag – jedenfalls eröffnet sie sich diesen im Wesentlichen nur unbekleidet. So ist das zumindest in der Ausstellung „Spieglein, Spieglein – Schönheitsideale im Wandel der Zeit“, die momentan in der Kundenhalle der Sparkasse am Brill zu sehen ist.

Die Schau kündigt zugleich die Wiedereröffnung der erweiterten Kunsthalle an, die für 20. August geplant ist. Und bedient sich also unter dem Motto „Aufgeschlossen!“ aus deren Depot. Hervor kamen vor allem Skulpturen, die seit dem 16. Jahrhundert entstanden sind, ergänzt um ein paar Videoarbeiten, die die Kunsthalle in der Ära des Direktors Wulf Herzogenrath erworben hat.

Den Anfang macht eine „Venus Marina“, um 1600 in Venedig entstanden. Eine Zeit also, bei der man nackte junge Frauen noch zu mystischen Schaumgeborenen verklärte, um sie künstlerisch darstellen zu können. Bei „Germany’s Next Topmodel“ wäre sie schon in der ersten Vorrunde aussortiert worden. Nicht, dass die Frau in irgendeiner Weise „dick“, schon sehr barock wäre, aber ein leichter Bauchansatz ist doch erkennbar. Auch die biblische Eva, 1896 neben einem Adam von Hermann Hahn geschaffen, ist ein klein wenig kräftiger ausgefallen, mit breiterem Becken, klarer Taille, kräftigeren Beinen und etwas muskulösen Armen entspricht sie aber durchaus dem Ideal ihrer Zeit.

Und doch machen beide Figuren deutlich, worum es Katja Riemer, der Kuratorin der Ausstellung geht: Einen „anderen Blick auf den Schlankheitswahn“ zu werfen.

Das wird auch und gerade am anderen, zeitgenössischen Ende der Ausstellung deutlich, dort, wo sich die Kunst am unmittelbarsten auf eben jenen kritisierten „Schlankheitswahn“ einlässt.

„Dream of Beauty 3.1“ von 2003 ist eine Videoarbeit von Kirsten Geisler, die Schönheit als virtuelle und biometrisch zu errechnende Größe auffasst. Am Ende steht auch hier eine nackte Frau. „Beauty“ wurde ohne fotografisches Vorbild am Computer generiert, sie entstand aus einer Summe medial vermittelter weiblicher Idealbilder. Passenderweise wird sie deshalb als Model präsentiert, das auf dem Catwalk auf- und abstolziert. Beauty wäre bei „Germany’s Next Topmodel“ wohl bis Finale gekommen. Trotzdem, nein gerade deswegen bleibt sie mit ihren endlos langen Beinen, dem etwas knochigen Oberkörper und ihrer Glatze merkwürdig leblos und kühl.

Inzwischen ist die Nachfolgerin auf dem Markt, Maya Brush, eine Frau, die ebenfalls eine Kunstfigur mit Glatze ist – aber eine der man im Internet auf Facebook begegnen kann. Maya Brush hat dort fast 700 „Freunde“, mit denen sie auch mal chattet. Übrigens überlegt sie, sich auch mal für Heidi Klums TV-Show zu bewerben.

Die meisten der hier ausgestellten Werke indes sind mehr oder minder in der Zeit um 1900 herum entstanden, als „venusgleiche“ firmierende Schönheiten, für die mit unter jedoch die Frauen der Künstler Modell standen, so wie bei Bernhard Hoetgers „Darmstädter Torso (Jugend)“. Daneben sind Max Klinger und Aristide Maillol vertreten, Gerhard Marcks und Edgar Degas, dessen Bronze „Tänzerin in Ruhestellung“ von 1920 allerdings nicht dem verbreiteten Bild einer Ballerina entspricht.

Mitunter haben sich die Künstler aber auch selbst idealisiert. Etwa Franz von Stuck, mit dessen mustergültig-makelloser athletischer Figur „Der Athlet“ von 1892 er sich selbst inszeniert hat. Sein Gegenbild ist die „Tänzerin“ von 1897, für deren Grazie Stucks Ehefrau Mary Lindtpaintner Modell stand.

An dieser Stelle lässt sich nahtlos an Bjørn Melhus’ „Zauberglas“ anknüpfen, ein sechsminütiges Video in Endlos-Schleife, dessen Protagonisten, beide vom Künstler gespielt, so narzisstisch sind, dass sie nicht zum bizarren Dialog denn mit sich selbst fähig sind. Ihr „Zauberglas“ ist ein Fernsehapparat. Noch so eine „Germany’s Next Topmodel“-Assoziation.

Bis 28. August, Sparkasse am Brill