: Genussradeln im Ruhrtal
Der neue Ruhrtalradweg wird offenbar begeistert angenommen: Mehr als 80.000 Touristen haben die 230 Kilometer lange Route im vergangenen Jahr abgeradelt – sehr zur Freude der regionalen Gastronomie- und Hotelbranche
Infos zum Radweg gibt es bei „Ruhrgebiet Tourismus“ in Essen: Telefonhotline 01805-181630 oder www.ruhrtalradweg.de. Die An- und Abreise per Bahn ist denkbar einfach: Nach Winterberg kommt man ab Dortmund Hauptbahnhof mit dem Regionalexpress. Nach Duisburg gibt es ab Hauptbahnhof zahlreiche fahrradfreundliche Verbindungen.
Termine: Am 17. Juni ist der 1. Ruhrtalradtag, den der ADFC mit einer Radtour von Duisburg nach Witten begeht. Am 29. Juli findet in Arnsberg das Ruhrtalradweg-Fest 2007 statt. Infos bei der Ruhrgebiet Tourismus.
VON MATTHIAS EICKHOFF
Es ist Freitagmittag und der Regionalexpress aus Dortmund kommt in Winterberg quietschend zum Stehen: Entgegen der Wettervorhersage scheint auf den Höhen des Sauerlandes doch die Sonne. Das freut besonders die zahlreichen Radfahrer, die dem Zug entsteigen. Ein letzter Blick auf die Karte, kurz die Satteltaschen gecheckt und los geht‘s zur nahen Ruhrquelle.
Direkt am Winterberger Bahnhof beginnt nämlich der 2006 eröffnete RuhrtalRadweg. Auf 230 abwechslungsreichen Kilometern folgt die Route dem Fluss von der fast 700 Meter hoch gelegenen Ruhrquelle bei Winterberg quer durch Sauerland und Ruhrgebiet hinunter bis zur Mündung in den Rhein bei Duisburg-Ruhrort.
Übereinstimmend ziehen alle Touristikvertreter im Ruhrtal ein positives Fazit der ersten Saison. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) schwärmt vom „riesigen Erfolg“ und gleich zu Beginn des Jahres verlieh der nordrhein-westfälische Tourismusverband dem neuen Vorzeigeprojekt das werbewirksame Gütesiegel „Radroute des Jahres 2007 in NRW“. Kein Wunder, dass Dieter Nellen, Geschäftsführer der federführenden Ruhrgebiet Tourismus GmbH (RTG), geradezu euphorisch klingt, wenn er auf den Radweg angesprochen wird. „Wir sind vom Erfolg überwältigt. 2006 radelten rund 80.000 Touristen auf der Route, und das nicht nur Binnentouristen.“
Nellen sieht für den guten Einstand mehrere Faktoren. „Die Ruhr hat einen hohen Imagewert und das Tal ist vielerorts landschaftlich geradezu idyllisch. Zudem funktioniert die regionsübergreifende Zusammenarbeit zwischen Ruhrgebiet und Sauerland hervorragend.“
Für die 23 betroffenen Kommunen gab es dabei unterschiedliche Ausgangspositionen: Mit der BikeArena Sauerland und der Lenneroute ist man in Winterberg schon länger im Radgeschäft. „Anfangs waren manche Hoteliers noch etwas skeptisch, ob uns der neue Radweg etwas bringt. Doch die starke Nachfrage hat alle überzeugt“, freut sich der stellvertretende Winterberger Tourismusdirektor, Winfried Borgmann. Der Fernradweg biete ein „unheimliches Entwicklungspotenzial“, bringe aber auch viel Arbeit mit sich. Nach dem verheerenden Orkan Kyrill im Januar mussten zum Beispiel die Wege mühsam geräumt und das Areal rund um die Ruhrquelle völlig neu gestaltet werden.
Vom Ruhrkopf geht es bis Olsberg trotz einiger Zwischensteigungen auf Wald- und Feldwegen zügig bergab. Ein beliebtes Etappenziel ist Arnsberg mit seiner malerischen Altstadt. Schmucke Fachwerkhäuser, ein klassizistisches Preußenviertel und der Ausblick von der Schlossruine machen den Reiz aus. Unterwegs locken Abstecher zum Besucherbergwerk Ramsbeck oder zum Hennesee. Landschaftlich reizvoll wird es flussabwärts besonders in der idyllischen Flussauenlandschaft zwischen Wickede und Schwerte.
Dahinter beginnt die „Toskana des Ruhrgebiets“, wie Nellen sagt. Der jederzeit gut ausgebaute und perfekt beschilderte Radweg führt an den großen Freizeitseen des Tales vorbei zu historischen Wasserschlössern, malerischen Burgruinen und in die romantischen Fachwerkstädte Hattingen und Essen-Kettwig. Oftmals rollen die Räder über ehemalige Leinpfade oder ausgediente Bahntrassen entlang des breiter werdenden Flusses. Wer das Ruhrgebiet mit tristen Siedlungen und Industriebrachen in Verbindung bringt, wird sein „grünes Wunder“ erleben. Ein kultureller Höhepunkt wartet ab August in der Villa Hügel, hoch über dem Baldeneysee. Dort wird für zwei Jahre die berühmte Gemäldesammlung des Essener Folkwang-Museums wegen Umbauarbeiten zu besichtigen sein.
Immer wieder eingestreut liegen sehenswerte Highlights der Industriekultur: Die Zeche Nachtigall am Muttental hat ihre industrielle Vergangenheit ebenso hinter sich wie die Henrichshütte in Hattingen, das Eisenbahnmuseum in Bochum-Dahlhausen oder der Aquarius Wasserturm in Mülheim-Styrum. Wo einst harte Maloche den Broterwerb sicherte, strampeln heute gut gelaunte Radler durch die grünen Ruhrauen und genießen den hohen Erlebniswert der Region – freizeitorientierter Strukturwandel auf zwei Rädern.
An der Ruhrmündung ist in Duisburg ebenfalls die Radfahrbegeisterung ausgebrochen. Georg Puhe vom Amt für Stadtentwicklung sieht 2007 als „Jahr des Radfahrens“ und freut sich über den „Durchbruch“ für das Verkehrsmittel Rad. Die Kultur- und Gastromeile am Duisburger Innenhafen und das Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Ruhrort sind einladende Endpunkte des Radweges. Angesichts des radelnden Besucheransturms wünscht sich Inge Keusemann-Gruben, Leiterin der Duisburger Tourist-Information, dass sich vor Ort noch mehr radlerfreundliche Hotels gewinnen lassen.
Alle Informationen zu Übernachtungsmöglichkeiten, Restaurants und Fahrradservice erhalten Touristen in der kostenlosen Broschüre „Tourguide 2007“, die von der RTG kundenfreundlich zusammengestellt wurde. „Wir setzen von vornherein auf Qualität, denn die Radfahrer erwarten eine gute Infrastruktur,“ so Nellen. Er sieht aber noch weiteren Handlungsbedarf und spricht von einem „informellen touristischen Masterplan“, der nötig sei, um die Serviceangebote bedarfsgerecht auszubauen. Wichtig seien vor allem weitere Übernachtungsbetriebe, Restaurants und Cafés direkt an der Route sowie etwa ein Gepäck-Shuttle-Service zwischen Winterberg und Duisburg. Mit den Verkehrsverbünden stehe man zudem in Gesprächen, um die Radkapazitäten Richtung Winterberg auszubauen.
Auch die Nutzer des Radwegs können über ein Gästebuch im Internet an der weiteren Entwicklung des Radwegs mitwirken. Neben vielen begeisterten Kommentaren werden zum Beispiel ein Mangel an Picknickplätzen sowie eine fehlende zusätzliche Wegweisung zu den empfohlenen Hotels und Pensionen kritisiert. „Vor der Herkulesaufgabe, auch noch die Wege in die Innenstädte einheitlich zu beschildern, sind wir zunächst zurückgeschreckt. Hier müssen die Kommunen selbst tätig werden,“ sagt Nellen.