PETER UNFRIED über CHARTS
: Gibt es eine schönere Zahl als Null?

Die Charts heute für Kohlendioxidhysteriker: Was hat die Toyota-Prius- und Dienstwagendiskussion gebracht?

KLIMAWANDEL: Jetzt ist auch schon wieder der Punkt erreicht, wo die ersten Neuinteressierten an der Klimakatastrophe unwillig werden und fragen, ob man nicht umschalten könne oder eine andere Sau durchs Dorf treiben. (Nein, geht leider nicht.) Auf den Anzeigenumfeldern für CO2-Ausstoß (euphemistisch „Technik und Motor“ genannt) wird versucht, die Oberhoheit von PS und „sinnlichem“ Design gegen die „Kohlendioxidhysteriker“ zurückzuerobern. Die ersten Experten dagegen beklagen bereits die Banalisierung des Themas durch Politiker und andere Idioten – speziell durch die Hybriddiskussion, das ist die Frage, ob wir nicht, wenn schon, wenigstens Toyota Prius mit Benzin- und Elektromotor fahren sollten – bis und damit es eines Tages echte klimafreundliche Autos gibt.

Dazu ein klares Fazit: Obwohl sicher zu kurz greifend, hat die Hybriddebatte inhaltlich gewirkt. Welche normalen Menschen wussten denn vor wenigen Wochen, wie viel CO2 ihr Auto ausstößt und dass 180 g/km ein Problem sind? Ganz offensichlich noch nicht einmal die Grünen-Vorsitzenden. Kaum einer dachte mehr an den goldenen Rat der Umweltverbände, nach der die PS-Zahl eines Autos nicht höher sein soll als der Intelligenzquotient des Fahrers. Und nun? Selbst die ADAC-Motorwelt muss ihre Märzausgabe mit den drei bösen Lettern aufmachen: „CO2“. „Wieso? Acht Liter ist doch ganz gut“ – das traute man sich unlängst noch unbekümmert auf Partys auszustoßen. Heute würde man dafür zu den Rauchern auf den Balkon geschickt. Ökostalinismus? Nein, Sieg der Aufklärung.

Sicher hat die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast einen Punkt, wenn sie darauf hinweist, dass Politiker die Arbeit nicht aus einem 3-Liter-Lupo heraus machen können. Manche würden gar nicht reinpassen. Aber gerade die Dienstwagendiskussion hat gewirkt. Letzten Dezember musste sich die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt noch als Vaterlandsverräterin beschimpfen lassen, weil sie als erste und einzige Bundespolitikerin einen japanischen Hybrid- als Dienstwagen wählte. Danach wurde der Wechsel des Tübinger OBs Boris Palmer von Mercedes zu Toyota Prius öffentlich und heftig diskutiert. Es ging so weit, dass sich der eigentlich doch aufgeklärte CDU-Ministerpräsident Günther H. Oettinger zu dem Satz hinreißen ließ: „Wer jetzt japanisch fährt, verrät im Grunde Baden-Württemberg.“ Oder er rettet es.

Richtig greifbar wurden die Symbolaktionen der Pioniere KGE und Palmer erst, nachdem EU-Kommissar Stavros Dimas Deutschland mit etwas konfrontierte, worüber keiner reden wollte: die gescheiterte CO2-Selbstverpflichtung der Konzerne und seine Forderung, künftig gefälligst 120 g/km einzuhalten. (Er ließ sich dann auf 130 g/km raufhandeln). Danach nahm die Sache so viel Fahrt auf, dass Künast es wagte, die „Leute“ gar zum Kauf japanischer Hybridautos aufzurufen. Bitte: Keiner muss auf das Ökomarketing von Toyota reinfallen. Man kann es benutzen. Demnach wäre jeder Prius auf der Straße ein guter Prius, der den Druck erhöht. Ist ja schon erstaunlich, wie schnell die deutsche Autoindustrie reagieren kann, wenn der Konsument eigene Wünsche äußert, statt sich welche aufschwatzen zu lassen. Alle werkeln sie jetzt hektisch. Und VW hat mit dem Polo Blue Motion (1,4-Liter-TDI-Dieselmotor) immerhin einen Kleinwagen am Start, dessen angegebener CO2-Ausstoß (102 g/km) gar den Prius (104 g/km) unterbietet. Beim Autosalon in Genf diese Woche wird der Blue Motion als Shuttle eingesetzt und kriegt die Zahl 102 als Aufkleber fett vornedrauf. Damit die Leute auch sehen, was ab sofort der USP an diesem Auto ist. Das ist Fortschritt.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell hat übrigens die Konsumanregung seiner Fraktionsvorsitzenden nicht befolgt. Er fährt privat nicht Prius, sondern Twike und Polo Blue Motion. Der VW ist auf Pflanzenöl umgerüstet, und damit fährt Fell nach eigener Einschätzung komplett emissionsfrei. NULL. Was für eine Zahl! Gestern wurde der Mann belächelt. Heute ist er ein role model.

Immer noch 8 Liter? kolumne@taz.de Morgen: Josef Winkler in der ZEITSCHLEIFE