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Archiv-Artikel

Plötzlich Abgeordneter

NACHRÜCKER Die Senatsbildung bringt das grüne Fraktionsgefüge in der Bremischen Bürgerschaft in Bewegung – und beweist zugelich erneut, wie das Wahlrecht die Parteipläne durcheinanderwirbelt

Von BES
„Ich hatte die Frage bewusst aus meinem Kopf rausgepumpt.“

Grünen-Kandidat Jan Saffe

Ein sicheres Mandat? Es sind noch Wenns zu gebrauchen, um die künftige Bürgerschaftsfraktion der Grünen zu beschreiben, Abers hingegen nicht mehr: Wenn Anja Stahmann, wie vorgesehen, Sozialsenatorin wird, rückt Carsten Werner nach, Regisseur, Kulturmanager in Bremen, Redakteur und Journalist in Berlin. Und wenn sie Horst Frehe als Staatsrat beruft dann rückt die nächste Listenkandidatin nach, also Platz 15, Linda Neddermann.

Bloß: Die Junggrünenkandidatin hatte bereits ein Personenstimmen-Mandat. Und auch im Halbtagsparlament kann niemand zweimal sitzen. Also braucht sie selbst auch einen Nachrücker – von der Personenbank. Und das ist…

„Wie jetzt, ich bin drin?!“ Nein, Jan Saffe hatte die Möglichkeit nicht mehr auf dem Schirm, aber annehmen wird er das Mandat. „Ich hatte die Frage bewusst aus meinem Kopf rausgepumpt“, sagt er. Fast einen vollen Monat liegt die Wahl zurück, und seit 7. Juni ist das amtliche Endergebnis festgestellt: Keiner kann die ganze Zeit gespannt warten, ob sich da noch was tut – und wenn ja, was. Saffe, Ökostrompionier, Bauernladen-Aktivist und Mitgründer der Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft, wird die Grünen-Fraktion grüner machen, „das hoffe ich“, sagt er zumindest. Kandidiert hatte er auch gerade, „um das neue Wahlrecht auszuprobieren“, schließlich hatte er dafür mitgetrommelt und Unterschriften gesammelt. Also um zu testen, ob es dem wirklich gelingt, die festgefügte Ordnung von sicheren, aussichtsreichen, aussichtslosen Listenplätzen auszuhebeln.

Was zu beweisen war: Sein Listenplatz 48 hätte nach altem Wahlrecht nur bei einem Grünen-Ergebnis von 50 Prozent zum Mandat geführt. Und umgekehrt hatte die Lokalpresse Carsten Werners Platz 14 als „sicher“ bezeichnet. „Irgendwas zwischen ‚aussichtsreich‘ und ‚gar nicht sicher‘ finde ich“, hatte er selbst im Berliner Tagesspiegel die Chancen treffender eingeschätzt. Und das Hoffen und Bangen nach der Wahl als „fieses, fiebriges Gefühl, wie das Warten aufs Christkind, um Tage gedehnt“ geschildert. Am 29. Mai ist sein Artikel schienen, vor fast drei Wochen. „Ich fühle mich noch nicht drin“, sagt er noch immer, obwohl sein Sitz jetzt sicherer ist als ein deutsches Akw. BES