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Archiv-Artikel

Stromfirma bezahlt Politikern Ausflüge

Kommunalpolitiker aus Niedersachsen sollen auf Kosten des Regionalversorgers Eam an Privatreisen teilgenommen haben. Auch Göttingens Ex-Bürgermeister Danielowski und der Northeimer Landrat werden beschuldigt

Die Staatsanwaltschaft hat ein Dutzend Kommunalpolitiker aus Südniedersachsen und Nordhessen wegen Vorteilsannahme im Amt und Untreue am Wickel. Sie hatten 2001 und 2002 an Reisen nach Venedig und Hamburg auf Kosten des regionalen Energieversorgers Eam (heute Eon Mitte) teilgenommen.

Aus Sicht der Ermittlungsbehörde hatten die Städtetrips überwiegend privaten Charakter. Auf dem Programm standen Besichtigungen und opulente Essen. Die zwölf Kommunalpolitiker gehörten dem Aufsichtsrat der Eam an oder vertraten die kommunalen Aktionäre. Die meisten reisten in Begleitung ihrer Frauen. Aus Niedersachsen zählen Göttingens Ex-Oberbürgermeister Jürgen Danielowski (CDU) und der Northeimer Landrat Michael Wickmann (SPD) zu den Beschuldigten.

Die federführende Staatsanwaltschaft Kassel bereitete Anklagen vor, bot den Beschuldigten aber einen Deal an: Gegen Zahlung einer Geldbuße und bei Anerkennung einer „geringen Schuld“ werde keine Anklage erhoben und kein Verfahren eröffnet. Die Kommunalpolitiker wären dann auch nicht vorbestraft. Neun Beschuldigte akzeptierten die Geldbuße in Höhe von 3.000 bis 6.000 Euro. Drei weitere, darunter Danielowski und Wickmann, ließen die von der Staatsanwaltschaft gesetzte Frist verstreichen.

Jetzt hat einer die Riege der Zahlungsverweigerer verlassen. Diese Woche nahm Landrat Wickmann die Geldbuße auf sich. Er werde die von ihm geforderten 3.000 Euro zahlen, sagte er auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Dies sei aber keinesfalls als Schuldeingeständnis zu werten, versicherte Wickmann, dem die Teilnahme an der Städtetour nach Hamburg im August 2002 vorgehalten wird. Er habe sich vielmehr aufgrund von „Vorverurteilungen“ und „öffentlichen Mobbings“ in den Medien entschieden, klein beizugeben. Unter den Vorwürfen habe auch seine Familie leiden müssen. Sein 15 Jahre alter Sohn werde bereits von Mitschülern gefragt, wann denn der Vater ins Gefängnis komme.

Gleichzeitig übt Wickmann scharfe Kritik an der Staatsanwaltschaft, die „oberflächlich ermittelt“ und „Rufschädigung betrieben“ habe. Anders als von der Behörde behauptet, sei er zum Zeitpunkt der Hamburg-Reise noch gar kein Mitglied im Aufsichtsrat der Eam gewesen, behauptet der Landrat.

Anlass des Ausflugs in die Hansestadt sei die Verabschiedung des langjährigen Eam-Vorstandsvorsitzenden Udo Cahn von Seelen und die Amtseinführung von dessen Nachfolger gewesen. Bei den anschließenden Besprechungen sei es um „Themen der Energiewirtschaft“ gegangen, mit Vergnügen habe die Reise nicht viel zu tun gehabt.

Wickmanns Rechtsanwalt Professor Steffen Stern erklärte den Vorwurf der Vorteilsannahme gegen seinen Mandanten für nicht haltbar. „Man müsste das Verfahren nicht fürchten“, sagte der Jurist. „Meine juristische Empfehlung wäre Durchmarsch.“

Noch nicht reagiert hat Göttingens Ex-OB Danielowski, der auf EAM-Kosten mit seiner Frau ein Sightseeing-Programm in Venedig absolviert haben soll. Für eine Stellungnahme ist Danielowski seit Tagen nicht zu erreichen. REIMAR PAUL