LESERINNENBRIEFE
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Heilanstalt war Tötungsanstalt

■ betr.: „Über Sprache stolpern“, taz vom 20. 10. 14

Detlef Garbe, dem Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, ist zuzustimmen, wenn er sagt, dass man „nicht darauf vertrauen“ sollte, dass die Hinzufügung von einfachen Anführungszeichen bei der Nennung des Grundes für die Verurteilung von Opfern des NS-Regimes auf Stolpersteinen „von jedem Leser als Distanzierung verstanden wird“.

Was aber genauso bedenklich erscheint, im Artikel jedoch unerwähnt bleibt, ist die Nennung von Sterbeorten unter Verwendung von NS-Tarnnamen. Auf dem im Artikel abgebildeten Stolperstein für Gertrud Jachinski steht als Sterbeort „Heilanstalt Bernburg“, allerdings ohne Anführungszeichen. Diese Einrichtung war allenfalls eine Heilanstalt gewesen, zur Zeit des Todes von Gertrud Jachinski (5. 3. 1942) hingegen nicht mehr, sondern eine Tötungsanstalt der so genannten Aktionen T4 (das heißt die Ermordung von Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen) beziehungsweise 14f13 (das heißt die Ermordung von kranken, alten oder aus anderen Gründen nicht mehr arbeitsfähigen KZ-Häftlingen).

In der „Heilanstalt“ Bernburg wurden in den Kriegsjahren etwa 14.000 Menschen getötet. ALEX J. KAY, Berlin

Nicht zielführend

■ betr.: „Gelungene Provokation“ (deutsch-französisches Wirtschaftstreffen), taz vom 21. 10. 14

Eric Bonse schreibt, wie viele andere, die Eurozone brauche „eine abgestimmte, auf Wachstum getrimmte Wirtschaftspolitik“. Bei allen taz-seitigen Ausführungen dazu habe ich aber ein Verständnisproblem: Angebotspolitik – also Löhne runter, Steuern runter, Deregulierung – scheint nicht das Problem zu lösen, weil schlicht die Nachfrage in Europa eingebrochen ist. Nachfragepolitik aber ist – wenn man Wirtschaft und Umwelt zusammen betrachten will – auch nicht zielführend, da uns so das Klima, die Artenvielfalt und die Ressourcen flöten gehen.

Wenn also das Problem eigentlich nicht in der Menge der erzeugten Waren liegt (von einigen Wohnungen abgesehen), sondern in den zu ihrem Erwerb notwendigen, aber fehlenden Arbeitseinkommen, andererseits aber enorme Vermögensmassen quasi ungenutzt die Finanzmärkte zu Blasen treiben: Stimmt dann nicht vielleicht etwas an der Einkommensstruktur, an der Bindung von Einkommen an Arbeit und an der grundsätzlich auf Wachstum als stabilisierendes (!) Element ausgerichteten Wirtschaftsauffassung?

Vielleicht sind wir gerade in einem ökonomischen Übergang, der, ähnlich dem demografischen Übergang, hart an der Sättigungsgrenze die Produktivitätsentwicklung nur noch per Umverteilung von Einkommen und Arbeit menschlich verträglich sein lässt.

MAIK HARMS, Hamburg

Zukünftige Leitidee erarbeiten

■ betr.: „Gelungenen Provokation“ (deutsch-französisches Wirtschaftstreffen), taz vom 21. 10. 14

Als Fazit der deutsch-französischen Wirtschaftsgespräche fordert Eric Bonse, „die Eurozone braucht eine abgestimmte, auf Wachstum getrimmte Wirtschaftspolitik und keine nur auf Kürzungen fixierte Fiskalpolitik“.

Ist es nicht an der Zeit, am Übergang vom Wachstum zur Kreislaufwirtschaft zu arbeiten? Wachstum wird bis heute begleitet von einem vermehrten Verbrauch von Rohstoffen und steigendem Abfall. Damit verändern wir Gleichgewichte auf unserem Planeten (Klimawandel, Versauerung der Ozeane), die zu Schäden führen (Stern Report), deren Höhe jede Wirtschaftskrise verblassen lassen. Darum müssen wir von der Wirtschaftsdroge Wachstum lassen, zumal alle uns verschuldenden Kojunkturprogramme die als notwendig erachteten Wachstumsraten in den letzten 20 Jahren nicht generiert haben. Wir wissen, mit dem Paradigma Wachstum gibt es keine Zukunft – die zukünftige Leitidee liegt als Blaupause nicht vor, sie muss erarbeitet werden. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Geniale Wahrheit

■ betr.: „Talente unter Tränen“ (Xavier Naidoo), taz vom 21. 10. 14

„Die Wahrheit“ über die neue Talentshow von Christian Bartel ist genial! Habe gelacht, dass sich die Chemtrails bogen!

STEFAN HANITZSCH, stoersendert.tv

Andere Willkommenskultur

■ betr.: „In der katholischen Kirche ist die Reform vorerst nur mau“, taz vom 20. 10. 14

Während ganz Deutschland zurzeit verzweifelt nach zumutbaren Unterkünften für Flüchtlinge sucht, beschäftigen sich die deutschen katholischen Bischöfe mit Problemen, die für die überwältigende Zahl unserer Landsleute völlig irrelevant sind. Stattdessen könnten die Verantwortlichen der katholischen Kirche einmal ihren Immobilienbestand mit einem vorsichtig geschätzten Verkehrswert von immerhin 200 Milliarden (!) durchforsten.

Bei wohlwollender Prüfung würde sich sicherlich die ein oder andere geeignete zusätzliche Unterbringungsmöglichkeit für Flüchtlinge finden, und die Appelle der deutschen Bischöfe (zum Beispiel Mussinghoff, Aachen) nach einer anderen, ich vermute freundlicheren Willkommenskultur würden zumindest ein wenig an Glaubwürdigkeit gewinnen. HELMUT MALMES, Stolberg