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Archiv-Artikel

Frauen scheitern mit Klage gegen Wal Mart

ARBEITSRECHT Schlechter bezahlt, seltener befördert – 1,6 Millionen Frauen wollten den größten Einzelhandelskonzern der Welt wegen Diskriminierung zur Rechenschaft ziehen. Doch das oberste US-Gericht stoppt sie. Zahlreiche Unternehmen zeigen sich erleichtert

Spitzenmanager von Wal Mart nennen Gewerkschafter „Blutsauger“

VON DOROTHEA HAHN

WASHINGTON taz | Der größte Einzelhandelskonzern der Welt hat einen juristischen Sieg gegen seine weiblichen Beschäftigten errungen: Das oberste Gericht der USA hat am Montag in Washington eine Gruppenklage von sechs Kassiererinnen wegen Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz – niedrigerer Lohn und schlechtere Beförderung – gegen Wal Mart abgelehnt.

Die 1,6 Millionen Frauen, die für Wal Mart arbeiten, hätten zu wenig gemeinsam, um eine Gruppe im Sinne einer sogenannten Class Action zu bilden, begründete das Gericht. Die Kassiererinnen reagieren enttäuscht, wollen aber nicht aufgeben. Ihre AnwältInnen kündigen bereits „zehntausende individuelle Klagen“ anstelle der Gruppenklage an.

Die Spitze von Wal Mart hingegen wertet den Gerichtsentscheid als Anerkennung der angeblich „starken Antidiskriminierungspolitik“ des Unternehmens. Auch zahlreiche andere Großunternehmen in den USA, denen Gruppenklagen drohen – darunter Tabakindustrie, Elektronik und Bankensektor – reagieren erleichtert auf den Entscheid.

In dem Verfahren „Dukes gegen Wal Mart“ hatte es fast zehn Jahre lang nach einer Neuauflage von David gegen Goliath ausgesehen – dieses Mal mit einer Frau in der Hauptrolle.

Im Jahre 2001 hatte die damals 54-jährige Wal-Mart-Kassiererin Betty Dukes die Klage ins Rollen gebracht. Sie hatte nach sechsjähriger Tätigkeit für Wal Mart zwei Dinge festgestellt: erstens, dass sie schlechter als ihre männlichen Kollegen verdiente. Und zweitens, dass Beförderungen an ihr vorbeigingen. Gespräche im Kolleginnenkreis ergaben, dass es anderen Frauen bei der Supermarktkette genauso erging wie Dukes.

Mehrere Kolleginnen entschlossen sich daraufhin, zusammen mit Dukes gegen Wal Mart vorzugehen. Die Idee einer Sammelklage entstand. Wäre sie durchgekommen, hätte Wal Mart Milliarden Dollar schwere Zahlungen für Lohnerhöhungen, Entschädigungen für Lohnausfälle und Zinsen leisten müssen. Denn die Gruppenklage betraf alle 1,6 Millionen weiblichen Beschäftigten des Konzerns in den USA.

Das Oberste Gericht lehnte die Class Action gegen Wal Mart einstimmig ab. In einer zweiten Entscheidung, die – entlang der konservativen Mehrheit der RichterInnen – mit 5 zu 4 Stimmen verlief, stellte das Gericht fest, dass es bei Wal Mart zu viele verschiedene Arbeitsplätze für Frauen gebe, um sie alle in einem einzigen Prozess zu verhandeln. Zu der entscheidenden Frage, ob bei Wal Mart die Geschlechterdiskriminierung zur Unternehmenskultur gehört, äußerte sich das Gericht nicht.

„Das Gericht hat den Konzernen signalisiert, dass sie ruhig schlafen können“, lautet die bittere Reaktion von Anwältin Marcia D. Grenberger vom National Women’s Law Center auf die Entscheidung, „denn je größer und mächtiger ein Unternehmen ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass seine Beschäftigten gemeinsam ihre Rechte durchsetzen können.“

Richard Samp, einer der Verteidiger von Wal Mart, liest aus dem Entscheid die positive Botschaft an die Konzerne heraus, dass es „künftig weniger Class Actions geben wird“. Nach seiner Ansicht müssen Haftpflichtklagen gegen Unternehmen – etwa wegen Körperverletzung durch Tabak – künftig ebenso individuell verlaufen wie Diskriminierungsklagen von Beschäftigten.

In den 90er Jahren waren Class Actions in den USA verschiedentlich an die Stelle von betrieblichen Verhandlungen getreten. Unter anderem erkämpften die Beschäftigten der Restaurant-Kette Shoney’s Nashville in einer Class Action 134 Millionen Dollar Entschädigung wegen rassistischer Diskriminierung. Die IT-Firma Microsoft musste 97 Millionen Dollar wegen missbräuchlicher Freelance-Beschäftigung zahlen.

Bei Wal Mart USA gibt es keine Gewerkschaften. In den 3.400 Supermärkten von Wal Mart, die den Einzelhandel ganzer Regionen der USA beherrschen, sind die Löhne niedrig und ist die gewerkschaftsfeindliche Haltung die Regel. Spitzenmanager von Wal Mart nennen Gewerkschafter „Blutsauger“ und ziehen es vor, Zweigstellen zu schließen, wenn sich eine Supermarkt-Belegschaft gewerkschaftlich organisiert.

In diesem Klima schien die Class Action ein möglicher Ausweg zu sein. Nach dem Entscheid des Obersten Gerichtes versucht Klägerin Dukes zu positivieren: „Seit unserer Klage im Jahr 2001 war Wal Mart gezwungen, eine ganz Reihe von Verbesserungen einzuführen.“ Ihre Mitklägerin Christine Kwapnoski ergänzt: „Allerdings sind das nur Trostpflaster.“