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Archiv-Artikel

„Fünfzehn Tage waren wie fünfzehn Jahre“

Der freigelassene italienische Journalist Daniele Mastrogiacomo berichtet von der Gefangenschaft bei den Taliban

ROM taz ■ „Ich fühlte mich wie ein Gefangener in Guantánamo. Das war keine Entführung, es war Folter. Psychische, physische, mentale, religiöse, politische, existenzielle Folter. Fünfzehn Tage haben mich gezeichnet, als wären es fünfzehn Jahre gewesen.“

Noch am Tage seiner Freilassung fasste Daniele Mastrogiacomo, der am Montag nach zwei Wochen Geiselhaft bei den Taliban freigekommene italienische Journalist, das von ihm durchlittene Drama in einer ausführlichen Reportage zusammen, die gestern in seiner Zeitung La Repubblica erschien. Mastrogiacomo berichtet, dass er über afghanische Mittelsmänner ein Interview mit einem Taliban-Militärkommandeur in der Region Helmand vereinbart hatte, auf dem Weg zu dem Treffen aber zusammen mit seinem Fahrer sowie dem Dolmetscher gekidnappt wurde.

Von Beginn an schwebte die Drohung der Hinrichtung über den drei Geiseln, die ununterbrochen mit Eisenketten an Händen und Füßen gefesselt waren. Manchmal, so Mastrogiacomo, gaben sich die Bewacher freundlich, doch binnen Sekunden konnte ihr Verhalten in Zorn umschlagen. Immer wieder wurden die drei verhört, mehrfach wurde Mastrogiacomo blutig geschlagen, und einmal wurde er während eines Verhörs mit Gummischläuchen ausgepeitscht.

Der Terror erreichte seinen Höhepunkt, als die beiden Afghanen und Mastrogiacomo ans Ufer eines Flusses gefahren wurden. Allen dreien wurden die Hände auf dem Rücken gefesselt und die Augen verbunden. Doch Mastrogiacomos Binde saß schlecht. „Ich kann nicht anders, ich muss hinschauen. Mir gefriert das Blut.“ Der Taliban-Kommandeur erklärt den Knienden, sie seien als Spione zum Tode verurteilt. Dann wird Mastrogiacomos Fahrer mit dem Gesicht in den Sand gedrückt, und vier seiner Häscher schneiden ihm erst die Kehle durch, trennen dann den Kopf vom Rumpf. Dann wird Mastrogiacomo gepackt. „Ich sehe mich, wie sie mir die Kehle durchschneiden, wie das aus den Arterien schießende Blut im Sand vertrocknet. Doch der Journalist wird auf einen Pick-up geworfen, und die Fahrt geht weiter.

Am Ende dann die Freilassung, Taliban-Kämpfer, die ihm freundlich auf die Schulter klopfen, ihm die Fußfesseln öffnen. Mastrogiacomo wird von einem Vertreter der italienischen Hilfsorganisation Emergency – sie unterhält Krankenhäuser in Afghanistan und andren Kriegsgebieten der Welt – in Empfang genommen. MICHAEL BRAUN