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Archiv-Artikel

Der Kick mit dem Kopftuch

Morgen spielt die iranische Nationalmannschaft der Frauen gegen ein Kreuzberger Amateurteam. Beim Hinspiel vor einem Jahr in Teheran galt islamisches Recht. Das wird diesmal anders werden

VON ANTJE LANG-LENDORFF

Dienstagabend im Kreuzberger Katzbachstadion. Eine Spielerin nimmt Anlauf, flankt den Ball von der Ecke vor das Tor, mitten hinein ins Getümmel. Eine andere läuft sich frei, bekommt den Ball auf den Fuß und schießt – vorbei. Kein Problem. Denn noch trainieren die Spielerinnen der deutsch-türkischen Amateurmannschaft Al-Dersimspor. Noch sind die Ränge grau und leer, man hört den Wind in den Bäumen. Morgen Abend wird das alles anders sein. Dann spielen die Kreuzbergerinnen vor wahrscheinlich ausverkauftem Haus auf ebendiesem Rasen gegen die iranische Nationalmannschaft der Frauen.

Die Partie ist ein Rückspiel. Schon vor einem Jahr kickten die beiden Mannschaften in Teheran gegeneinander. Es war das erste öffentliche Frauenfußballspiel in einem iranischen Stadion seit der Revolution 1979. Normalerweise spielen die Frauen nur in Hallen, geschützt vor den Blicken der Männer. Eine der Kreuzbergerinnen schreibt hinterher: „Neunzig Minuten war Fußball Frauensache und Hoffnungsträger für ein Leben ohne religiöse Zwänge.“

Angefangen hatte alles bei der Berlinale 2005. Marlene Assmann und ihre Schwester, zwei der Berliner Spielerinnen, sind mit einem Kurzfilm über ihre Kreuzberger Mannschaft auf dem Talent Campus vertreten. Dort begegnen sie dem iranischen Regisseur Ayat Najafi. Sein Film handelt davon, dass Frauen in Iran nicht öffentlich Fußball spielen dürfen. Die Assmann-Geschwister sind so beeindruckt, dass sie beschließen, ein Freundschaftsspiel zu organisieren.

Nach über einem Jahr, nach unzähligen Gesprächen mit der iranischen Botschaft und dem iranischen Fußballverband findet die Begegnung tatsächlich statt. In Teheran angekommen, begleiten Sittenwächterinnen die jungen Frauen die ganze Zeit. Beim Spiel müssen alle Kopftücher tragen, auch die Berlinerinnen. Sie nehmen das auf sich. „Besser mit Kopftuch spielen als gar nicht“, sagt Marlene Assmann. Weil gefilmt wird, dürfen Männer nicht in das Stadion. 2:2 endet die Partie. Ein schönes Ergebnis für ein Freundschaftsspiel, finden alle.

Seit Monaten kümmern sich nun die Kreuzbergerinnen darum, dass auch das Rückspiel stattfinden kann – ehrenamtlich natürlich. Marlene Assmann sagt: „Man muss an 100 Millionen Kleinigkeiten denken“ – von der Sponsorensuche über Sicherheitsfragen bis hin zu den Müllcontainern im Stadion. Die 25-Jährige und ihre Freunde bekommen zu wenig Schlaf, in der Uni sind sie kaum noch.

Doch es scheint alles zu klappen: Heute sollen die Iranerinnen mitsamt ihrer Begleitung in Berlin landen. Sie bleiben vier Tage, wohnen in dieser Zeit in einem Hotel.

Die deutsche Regierung begrüßt den Besuch der Iranerinnen. „Das Spiel ist eine Begegnung unterschiedlicher Kulturen, in der gemeinsamen Sprache des Fußballs“, sagt Christian Sachs vom Bundesinnenministerium. Der Präsident des Berliner Fußball-Verbandes, Bernd Schultz, meint: „Ich bin mir sicher, der 1. Juni wird ein Fest.“

Bei der morgigen Partie im Katzbachstadion werden die Kreuzbergerinnen – anders als die Iranerinnen – kein Kopftuch tragen. Auch Männer dürfen sich das Spiel anschauen. Für Marlene Assmann eine klare Sache: „In Teheran gilt islamisches Recht, hier gilt deutsches Recht.“