: Niere zu gewinnen
Ein Zankapfel ist die geplante Organspende-Show in den Niederlanden. Unklar ist, ob die Niere überhaupt zu nutzen ist
VON HENK RAIJER
„Fantastisch“ und „das war an der Zeit“, rufen die einen, „geschmacklos“ und „unethisch“ die anderen. Die jüngste Produktion aus dem Hause Endemol („Big Brother“) wirbelt schon vor ihrer Ausstrahlung Staub auf. Ungeachtet scharfer Proteste und Verbotsforderungen wird der niederländische Fernsehsender BNN morgen eine Reality-Show der besonderen Art ausstrahlen: Der Sender will einem von drei Nierenpatienten die Hoffnung auf eine neues Organ erfüllen. Zur Verfügung stellt es eine „Lisa“ (37), die an einem inoperablen Hirntumor leidet und in der Sendung aus den drei Bewerbern den Gewinner ihrer Niere auswählen wird.
Selbstverständlich soll die „Big Donor Show“ interaktiv sein. Nachdem „Lisa“ während der Sendung Interviews mit den drei Bewerbern geführt hat, können die Zuschauer per SMS abstimmen, wen sie für den geeignetsten Empfänger des Spenderorgans halten. Darüber entscheiden allerdings, „wer der Glückliche ist“, werde „Lisa“ ganz allein, erklärt der Sender. Mit der Show wolle BNN ein Schlaglicht auf die prekäre Organspendensituation in Holland werfen.
Eine Niere als Hauptgewinn in einer Unterhaltungsshow? Konservative Politiker äußerten zuletzt mehrmals ihren Abscheu. Der Christdemokrat Joop Atsma meinte im Gespräch mit Radio 1: „Das geht wirklich nicht, das muss man stoppen“ – schon allein aus Rücksicht auf die beiden dann abgelehnten Kandidaten. Atsma versuchte am Dienstag, den zuständigen Minister zu bewegen, die Ausstrahlung der Sendung verbieten zu lassen. Doch Kulturminister Ronald Plasterk erklärte eine solche Intervention für unzulässig. Der Sozialdemokrat bezeichnete die geplante Sendung aufgrund des enthaltenen wettbewerblichen Elements zwar auch als „unpassend“, die Verfassung verbiete jedoch Eingriffe in den Inhalt von Programmen. „Das wäre Zensur“, so Plasterk.
Und so dürfte das morgige TV-Spiel eine Topquote erzielen. Endemol und BNN machen die Show nach eigenen Angaben nicht des Geldes wegen, die Einnahmen kämen einer Stiftung zugute. Die Publicity, auch die negative, bestärkt beide Firmen in ihrem Vorhaben. „Wir wollten etwas drastischer als bisher auf den Mangel an Organspenden hinweisen“, erläutert BNN-Chef Laurens Drillich die Formel hinter der „Big Donor Show“. Natürlich hätte man auch eine Dokumentation oder einen Diskussionsabend bringen können. „Aber dann kannst du sicher sein, dass kein Schwein guckt“, sagt der Vorsitzende des Senders, dessen verstorbener Gründer 13 Jahre auf eine Spenderniere wartete.
„Ich verstehe, dass viele Menschen das für geschmacklos halten“, ergänzt BNN-Chef Drillich. „Ich finde das selbst auch geschmacklos. Aber die Realität ist noch viel geschmackloser. Deshalb: Der Zweck heiligt die Mittel.“ Nach Drillichs Angaben warten in Holland Patienten im Schnitt mehr als vier Jahre auf ein Spenderorgan. Jedes Jahr würden 200 von ihnen sterben, weil nicht rechtzeitig transplantiert werde. In der TV-Show lägen die Chancen bei 33 Prozent – und damit „deutlich höher als für die Menschen auf den Wartelisten“.
„Lisas“ Niere soll noch vor dem Tod der 37-Jährigen transplantiert werden. Nur so ist gewährleistet, dass ihr Organ dem von ihr ausgewählten Spender zugute kommt. Nach Rechtslage in Holland darf, wer am Leben ist und ein Organ spenden möchte, selbst bestimmen, wem er es zukommen lässt. Kaum diskutiert werde nach Ansicht der Nederlandse Transplantatie Stichting, ob das Organ der Frau aus der TV-Sendung überhaupt für eine Transplantation in Frage komme. In der Regel spendeten gesunde Menschen. Im Falle der Frau mit dem Hirntumor sei es unwahrscheinlich, dass sie spenden kann.
Obwohl BNN behauptet, für die Transplantation konkrete Absprachen mit einer Klinik getroffen zu haben, hat Hans de Fijter, der Vorsitzende des Zusammenschlusses der sieben Transplantationskliniken Hollands, jedweder Zusammenarbeit eine klare Absage erteilt. „Organlotterien dieser Art gehen entschieden zu weit“, befindet Fijter. Er betont, dass Nierentransplantationen ausschließlich in den sieben genannten Zentren durchgeführt werden dürfen. Der Rotterdamer Chirurg Willem Weimar stellt klar: „Eine Fernsehsendung wird uns nicht vorschreiben, wen wir wann zu operieren haben.“