„Meine Vielfliegerei ist ein Dilemma“

Jürgen Resch ist einer von Deutschlands Toplobbyisten des Umweltschutzes. Trotzdem fliegt er hunderttausende Kilometer im Jahr. Weltweit müsse er Projekte betreuen, sagt er. Außerdem liege die Zentrale der Umwelthilfe am Bodensee, nicht in Berlin

JÜRGEN RESCH, 46, ist einer der beiden Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Er ist Mitglied des sogenannten HON Circles bei der Lufthansa. Diesen höchsten Vielfliegerstatus erhält, wer innerhalb von zwei Jahren 600.000 Meilen fliegt. Das entspricht in etwa 28,5 Erdumrundungen.

INTERVIEW STEPHAN KOSCH

taz: Herr Resch, der Spiegel hat Sie als Vielflieger enttarnt. Jetzt haben Sie ein Problem.

Jürgen Resch: Dass ich berufsbedingt Vielflieger bin, darüber wird seit über zehn Jahren regelmäßig berichtet. Nun hat es auch der Spiegel gemerkt. Meine persönliche Klimaschutzbilanz ist schlecht, daraus mache ich keinen Hehl. Das ist aber leider eine Folge meiner nationalen wie internationalen Umweltarbeit. Und diese beinhaltet häufig Reisen zu Konferenzen und Meetings in Asien, Afrika und Amerika. Nehmen Sie unser weltumspannendes Seen-Netzwerk Living Lakes als Beispiel. Bei Managern und Politikern nimmt man das als selbstverständlich hin, für Umweltschutzorgansistionen gelten offenbar andere Maßstäbe.

Zu Recht, schließlich weisen Sie immer wieder darauf hin, wie klimaschädlich das Fliegen ist. Jetzt haben Sie ein Problem mit Ihrer Glaubwürdigkeit.

Es ist einfach ein Dilemma, dem ich kaum entrinnen kann. Gerade auch für die Klimaschutzarbeit der Umweltverbände ist eine professionelle und internationale Kooperation untereinander unerlässlich. Da bleibt fast nur ein genaues Hinschauen bei den unterschiedlichen Airlines. Bei der Auswahl der Fluggesellschaft achten wir darauf, ausgewiesene Billigflieger zu meiden.

Deshalb gehören Sie ja auch zum HON Circle, einem besonders exklusiven Kreis von Lufthansa-Kunden. Aber teure Airlines stoßen genauso viel CO 2 aus wie billige.

Na ja, es kommt schon auch auf die Technik an. Einige Fluggesellschaften haben durchschnittlich ältere und damit deutlich spritdurstigere Maschinen im Einsatz. Immerhin gilt die Lufthansa seit Jahren als relativ energieeffizient und hat auch in der Technik Standards unter den Airlines gesetzt. Außerdem unterstützt die Kranich-Airline seit 40 Jahren Projekte zum Erhalt der Artenvielfalt. Das ist insgesamt wenig, aber mehr, als andere machen. Dennoch, Sie haben recht: Das Dilemma bleibt. Deshalb zahlt die Umwelthilfe für ihre Flüge eine Klimaschutzabgabe.

Wie oft fliegen Sie?

Derzeit ein- bis zweimal pro Woche, regelmäßig auch Interkontinental. Demnächst werde ich zum Beispiel mehrmals nach Washington und Kalifornien fliegen müssen. Die DUH unterhält – sehr zum Ärger der deutschen Autobauer – eine offizielle Kooperation mit Schwarzeneggers Umweltbehörde EPA in Sacramento und amerikanischen NGOs. Aktuelles Ziel ist es, die seit Jahren in Kalifornien geltenden Grenzwerte für saubere, Stickoxid-reduzierte Diesel-Pkw nach Deutschland zu importieren. Die Kampagne startet noch im Frühjahr.

Man könnte doch viel per Telefon oder Videokonferenz klären.

Das tun wir natürlich, auch das Internet hilft. Aber für so komplexe Kampagnen und Projekte brauchen sie auch den persönlichen Kontakt mit internationalen NGOs und Regierungsvertretern. Vertrauen wächst nicht am Telefon allein.

Wie viele Inlandsflüge stehen auf Ihrer Bilanz?

Ein wunder Punkt: Der Bodensee ist weit weg von Berlin, im Schnitt fliege ich einmal in der Woche zwischen Berlin und Süddeutschland oder Zürich.

Auch, weil die Zentrale der Umwelthilfe in Radolfzell ihren Sitz hat, Sie selbst arbeiten aber in Berlin. Besonders Klimafreundlich ist diese Doppelstruktur nicht.

Das hat historische Gründe, die Hauptgeschäftsstelle mit 60 Mitarbeiter ist seit 30 Jahren am Bodensee, und weitere 15 arbeiten im Hauptstadtbüro in Berlin. Ich bin zwar begeisterter Bahnfahrer, aber die Zugverbindung zwischen Radolfzell und Berlin ist einfach schlecht.