Rechtsradikale Geiselnehmer vor Gericht

Racheakt: Neonazis der „Kameradschaft Aachener Land“ sollen zwei Frauen entführt und bedroht haben

AACHEN taz ■ Wegen Geiselnahme, schwerer Raub und Körperverletzung müssen sich seit gestern angeblich ehemalige Mitglieder der Neonazi-Gruppe „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) vor dem Landgericht Aachen verantworten. Angeklagt sind zwei Männer aus Langerwehe und Eschweiler. Insgesamt stehen jedoch vier Personen im Verdacht, die Tat begangen oder Beihilfe dazu geleistet zu haben. Mindestens drei der Männer gehörten zum Tatzeitpunkt der KAL an, die eng mit der NPD verwoben ist.

Hintergrund des Prozesses ist die Geiselnahme zweier junger Frauen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten und einem bislang unbekannten Dritten vor, beide mit einem Baseball-Schlägers sowie einer Gaspistole und eines Messers bedroht zu haben. Sie sollen die Frauen vor einer Gaststätte in Stolberg, die im Jahr 2005 ein Treffpunkt der rechten Szene war, gezwungen haben, in ihr Auto einzusteigen. Ein zu Beginn anwesender vierter KAL-Mann aus Stolberg war nicht eingestiegen, gegen ihn wurde in einem eigenen Verfahren ermittelt.

Im Auto wurden die beiden Frauen dann laut Anklage unter Vorhalt der Waffen und verbalen Bedrohungen gezwungen, auszuplaudern, wo sich ein Stolberger befinde. Eine der Geiseln war dessen Schwester. Auslöser der Tat war offenbar Rache, denn Neonazis hatten Tage zuvor eine Auseinandersetzung mit dem Gesuchten. Als das Trio den Stolberger schließlich durch einen Hinweis der immer noch bedrohten Frauen auf einer Baustelle fand, schlugen zwei Neonazis das Opfer im Beisein der Schwester zusammen. Als Haupttäter gelten der Neonazi aus Langerwehe und der bislang Unbekannte. Später sollen beide dem Opfer noch 15 Euro gestohlen haben.

Tattag war der 28. September 2005. Am Freitag belastete die Schwester des späteren Opfers den Angeklagten aus Langerwehe schwer. Unter Tränen und in Begleitung eines Polizeibeamten beschrieb die junge Frau im Zeugenstand, wie man sie mit einer Pistole am Hals oder vor dem Gesicht bedroht hatte. Man habe sie „platt machen“ wollen und sie werde „in einem Steinbruch aufwachen“, falls sie nicht rede. Die Angeklagten machten keine Angaben zu den Vorwürfen. Der Neonazi aus Langerwehe sagte aber, dass er seit einem Jahr kein KAL-Mitglied mehr sei.

Das Verfahren ist auf drei Tage terminiert. Der mutmaßliche Haupttäter wuchs in Leipzig auf, lebt seit einigen Jahren in der Region Aachen und heute in Langerwehe. Er wurde nach taz-Recherchen schon wegen Trunkenheit im Straßenverkehr, Raub, vorsätzlicher Körperverletzung und der Beleidigung von Polizisten verurteilt. Ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung ist noch anhängig. Gemeinsam mit dem KAL-Anführer und heutigen Vize-Vorsitzenden des NPD-Kreisverbandes Düren soll der Langerweher ein weiteres KAL-Mitglied nicht gestoppt haben, als es seine schwangere Freundin verprügelte.

MICHAEL KLARMANN