: Schwarzer Müller spaltet Grüne
Konflikt um Altonas CDU-GAL-Kandidaten für den Posten des Bezirksamtsleiters eskaliert. Nächtliche Krisensitzung von grünem Partei- und Kreisvorstand mit der Bezirksfraktion
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Es geht um die grüne Identität in Hamburg. Es geht um die Frage, wer in der GAL für politische Strategien zuständig ist. Es geht darum, ob eine Bezirksfraktion gegen den erklärten Willen der Partei eigenmächtig agieren darf. Es geht um Schwarz-Grün, und es geht um Jo Müller. In einer Krisensitzung von Landesvorstand mit Altonas Kreisvorstand und Fraktion wurde gestern Abend Tacheles geredet – bis weit in die Nacht.
Der Landesvorstand fordert von den grünen Abgeordneten im Altonaer Rathaus, ihre Zustimmung zum eigenen Kandidaten für den Posten des Bezirksamtsleiters „zu überdenken“. Jo Müller sei „nicht der Parteichef der GAL“, sagt deren Vize-Chef und Bürgerschaftsabgeordneter, Jens Kerstan. Er und die gewählte Parteivorsitzende, die Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk, würden am Abend „Klartext reden“, kündigte er gestern an.
„Kein Verständnis“ hat dagegen Altonas Fraktionsvize Winfried Sdun für den Versuch der Parteispitze, „sich in unsere Fraktionsarbeit einzumischen“. Die Rückendeckung seiner Kreisvorsitzenden Dorothee Freudenberg hat er nicht. Die ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete stellte klar: „Ich will keinen grünen Bezirksamtsleiter, von dem ich mich dauernd distanzieren muss.“ Die Fronten also sind abgesteckt, dafür hat Jo Müller gesorgt, der in der Vergangenheit dreimal bei dem Versuch scheiterte, grüner Landesvorsitzender in Hamburg zu werden.
Den 60-Jährigen hatten CDU und GAL, die vor drei Jahren in Altona Hamburgs erstes schwarz-grünes Bündnis eingingen, vor einer Woche als ihren gemeinsamen Kandidaten präsentiert. Sie wollen den Volkswirt ohne Verwaltungserfahrung, der sich seit vielen Jahren als Chefdenker eines Realo-Flügels sieht, den es in der GAL faktisch nicht mehr gibt, am Mittwoch zum Bezirksbürgermeister küren. Er soll vorzeitig Hinnerk Fock (FDP) ablösen, den CDU und GAL für diverse Affären und Skandälchen im Altonaer Rathaus verantwortlich machen. Fock sei „führungsschwach“, befand CDU-Fraktionschef Uwe Szczesny, Müller hingegen ein Mann „mit Charisma“ und seine Kür „ein Signal“.
Müllers erstes Signal bei seiner Vorstellung vor der Presse war seine Einschätzung, das Rathaus Altona sei „nicht gut organisiert“. Offenbar wüssten in diesem „Schlangennest“ viele MitarbeiterInnen „nicht, was sie tun sollen und was nicht“. Das soll dort wenig Vorfreude auf den neuen Chef ausgelöst haben.
Sein zweites Signal war die Empfehlung für schwarz-grüne Koalitionen in ganz Hamburg. Mit der CDU sehe er „keine Knackpunkte“, selbst „in Sachen Ökologie ist die CDU inzwischen weiter als die SPD“, die sich in einem „erbarmungswürdigen Zustand“ befinde und kein verlässlicher Partner sei. Das löste Freude nur bei der Union aus. Und Müllers Selbsteinschätzung, er habe vor mehr als 20 Jahren „die Grünen nicht nur mitbegründet, sondern geradezu erfunden“, sorgte auch außerhalb seiner Partei für Kopfschütteln.
Bei der GAL brennt seitdem die Hütte so lichterloh, dass hinter vorgehaltener Hand manche Eingeweihte gesprächig werden, die bislang sorgsam geschwiegen hatten. Danach war Müller der letzte von zehn Kandidaten, mit dem die schwarz-grüne Findungskommission überhaupt gesprochen hatte. Und der einzige, den die CDU akzeptabel fand. Der Kreisvorstand in Altona sprach sich geschlossen gegen Müller aus, der Landesvorstand erhob seine Bedenken.
Vor acht Tagen debattierten Parteispitze, Kreisvorstand und Fraktionsführung „sehr angeregt“ über die Personalie Müller. Die GAL-Chefetage sagte schließlich „Stillhalten“ zu – unter der Bedingung, dass Müller als Verwaltungschef eines Bezirks sich nicht zu landespolitischen Themen äußert. Diese Vereinbarung sei „gebrochen“ worden und darum Müller „nicht mehr tragbar“.
Nach Müllers schwarz-grünen Bekenntnissen hatte auch Fraktionsvize Sdun vom Kandidaten gefordert, künftig „neutral“ zu sein. Daraufhin versicherte Müller gegenüber dem Landesvorstand brieflich, „nie wieder“ einen solchen „schweren Fehler“ begehen zu wollen. Und wegen „seiner zwei, drei Äußerungen“ will Sdun die Personalie allerdings nicht überdenken.
Seine Kreisvorsitzende Freudenberg hingegen ist „total verärgert“. Sie mag gar nicht daran denken, was Müller „erst nach seiner Wahl alles so erzählt“. An Sachen, die nicht gehen.