: Trinken, trinken, trinken!
Eine G-8-Demonstration ist eine echte sportliche Herausforderung: Wie macht man im Stehen richtig Pause? Was hilft gegen den Hungerast? Und wie schafft man den Weltrekord? Ein Trainingsplan
VON DIETER BAUMANN
Sich an diesen Tagen nach Heiligendamm aufzumachen ist eine echte Herausforderung. Dagegen ist ein Marathonlauf ein Kinderspiel, denn darauf können sich die Teilnehmer zielgerichtet vorbereiten. Ganz im Gegensatz zu den Demos rund um den G-8-Gipfel. Umso mehr sollten Sie vor Ort auf eventuelle Schwierigkeiten und Schwächephasen vorbereitet sein.
Tipp Nr. 1: Sie brauchen ausreichend zu Trinken. Bei einem Sternmarsch sind Sie dauernd in Bewegung und das bedeutet: Sie verbrauchen Flüssigkeit und Energie. Deshalb müssen Sie trinken, trinken und nochmals trinken. Aber bitte nicht nur Bier! Erwarten Sie nicht an jeder Ecke eine Tankstelle oder Imbissbude. Außerdem müssen Sie sich auf Umwege gefasst machen. Die Strecke kann geändert werden. Jederzeit.
Tipp Nr. 2: Nehmen Sie Proviant mit. In Bezug auf Energieverbrauch ist Ihr Marsch sehr wohl mit einem Marathon vergleichbar. Verbrauchte Energie muss wieder zugeführt werden, ansonsten droht ein Hungerast. Die Konzentration geht verloren und die Folge kann eine gewisse Gereiztheit sein. Doch gerade dies ist für Ihre Aufgabe bei dieser friedlichen Protestbewegung auf jeden Fall zu vermeiden. Essen Sie für die gute Stimmung. Vergessen Sie dabei Ihre polizeilichen Begleiter nicht. Teilen Sie mit ihnen ein Stück Kuchen oder eine Tafel Schokolade, es wirkt Wunder. Hoffentlich.
Tipp Nr. 3: Statten Sie sich mit Wechselkleidung aus. Ein warmer Pullover und eine Winterjacke darf keinesfalls fehlen, selbst dann, wenn die Wettervorhersage hervorragend sein sollte. Erstens ist an solchen Tagen auch einem Kachelmann nicht mehr zu trauen, zweitens liegt eine gewisse Fremdbestimmung in der Natur der Sache. Schließlich sind nicht nur viele tausend friedliche Demonstranten unterwegs, sondern auch ein paar Regierungschefs und ihre polizeilichen Begleiter. In dieser Gemengelage ist es schwierig vorherzusagen, wie lange das Spektakel dauert. Planen Sie deshalb mit einer Übernachtung im Freien. Zwei Paar frische Ersatzsocken dürfen auf keinen Fall fehlen. Denn für nasse Socken bedarf es auch keines Regens. Wasserwerfer haben eine enorme Reichweite, auch in die zweite Reihe.
Tipp Nr. 4: Machen Sie Pausen. Für viele Teilnehmer, die sich nicht optimal vorbereiten konnten, ist bei solch einer enormen Ausdauerbelastung eine Pause unbedingt erforderlich. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten. Es gibt die so genannte Stehpause oder die Sitzpause. Beide Pausen ergeben aus physiologischer Sicht Sinn. Zur besseren Effektivität sollten dabei folgende Übungen unbedingt gemacht werden:
Tipp Nr. 5: Übung zur Sitzpause: Sie sitzen am Boden. Dabei sind Ihre Knie eingewinkelt und die Fußsohlen berühren sich. Sie umfassen Ihre Füße mit Ihren Händen und schieben Ihre Hüfte nach vorne. In dieser Stellung nehmen Sie eine sehr aufrechte Sitzhaltung ein. Versuchen Sie jetzt Ihre Knie leicht nach unten auf den Boden zu drücken. Diese Anspannung halten Sie ca. 15 Sekunden, dann Entspannen. (3–5 Wiederholungen.) Um den sozialen Aspekt dieser Übung noch besser hervorzuheben, können Sie Ihre Beine mit den Beinen eines Partners verschränken. Das mag wie ein Bollwerk wirken – dient aber tatsächlich nur einer wirkungsvolleren Dehnung der Aduktorenmuskulatur.
Tipp Nr. 6: Übung zur Stehpause: Stellen Sie sich dicht hintereinander. Schlingen Sie nun zur besseren Standfestigkeit die Arme in Hüfthöhe ganz um den Partner. Strecken Sie gleichzeitig Ihr rechtes Bein nach hinten ganz zur Streckung. Die Ferse des rechten Fußes sollte dabei den Boden berühren. (Bitte nicht wippen!) Zur besseren Balance neigen Sie nun den Oberkörper leicht nach vorne und legen sich ganz leicht auf den Rücken Ihres Partners. Mit über 1.000 Menschen in einer durchgängigen Kette wurde diese Übung wahrscheinlich noch nie durchgeführt und wäre wahrscheinlich neuer Weltrekord. Vorab an dieser Stelle an alle: Glückwunsch.
Tipp Nr. 7: Laufen Sie gemeinsam ein kleines Stück. Durch die Pausen haben Sie Zeit verloren. Deshalb sollten Sie nun gemeinsam in sehr leichtem, lockerem Trab laufen. Wenn Sie je einen großen Marathon erlebt haben, konnten Sie feststellen, dass ein vielköpfiges Läuferfeld nicht zu überwinden ist. Auch für die Polizei nicht. Ich denke, genau das Richtige für Heiligendamm.
Dieter Baumann ist 5.000-m-Olympiasieger von Barcelona und Mittel- und Langstreckentrainer