KURZKRITIK
: „Purgatorio“ uraufgeführt

John Neumeiers neueste Kreation „Purgatorio“ prägt ein Stich Männlichkeitswahn. Der Choreograph unterlegt Mahlers Zehnte Sinfonie mit der Geschichte der untreuen Frau des Komponisten. Anfangs steht die ehebrecherische Frau, Alma, im Mittelpunkt. Sie ist ehrgeizig, möchte am Werk ihres Mannes teilhaben, komponiert selbst. Mahler will keine Konkurrentin, sie soll sich auf Kind und Küche zurückziehen. Alma, enttäuscht, wird empfänglich fürs Werben eines Rivalen: den Architekten Walter Gropius.

Im zweiten Teil, dem Mahlers Fragment gebliebene Zehnte Sinfonie unterlegt ist, erleben wir die Trauer des Komponisten. Die Musik im ersten Teil, Lieder von Alma, kann es mit Mahlers Sinfonie nicht aufnehmen.

Neumeier erfindet einen „Creator Spiritus“, vom athletischen Alexandre Riabko kraftvoll mit nacktem Oberkörper getanzt. Er soll Mahlers guter Geist sein, wirkt aber tatsächlich unfreiwillig komisch als Inkarnation jenes Männlichkeitswahns, der durch so viele Ballette Neumeiers geistert. Quintessenz von „Purgatorio“: Männer sind viel schöpferischer als Frauen, die wollen immer nur bumsen. Mahlers Zehnte klingt nicht ganz so einseitig.

„Purgatorio“ steht am Anfang der 37. Hamburger Ballett-Tage. Sie dauern in der Hamburgischen Staatsoper noch bis zum 10. Juli. ULRICH FISCHER