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Archiv-Artikel

THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Wer hätte gedacht, dass die Wurzeln des schillernden italienischen Bestsellerautors und Journalisten Curzio Malaparte (1898–1957) eigentlich in Zittau in der sächsischen Provinz liegen? Und dass dieser „Pendler zwischen Faschismus und Futurismus, Kommunismus und Katholizismus“ (so der Zsolnay Verlag) bei seiner Geburt noch Kurt Erich Suckert hieß? Aber das aberwitzige 20. Jahrhundert hatte den Mann mit seinem Größenwahn und seiner Exzentrik angesteckt. Und so nahm Kurt Erich Suckert lieber den Familiennamen von Napoleon Bonaparte an. Doch weil die erste Silbe „Bon“ = gut lautet, er aber das Böse cooler fand, machte er ein „Mal“ = böse daraus. (Baudelaires „Fleurs du Mal“ lassen grüßen). Der ewige Volksbühnenchef Frank Castorf war den literarischen Extremisten und Finsterlingen schon immer sehr zugetan (und geistesverwandt), von Rimbaud über Céline bis zu Ernst Jünger. Nun ist Curzio Malaparte dran mit dessen 1944 zuerst erschienenem Roman „Kaputt“, den man als Panorama eines europäischen Bürgerkriegs bezeichnen kann. (Volksbühne: „Kaputt“, Premiere 30. 10., 19.30).

Kaputt ging vor 25 Jahren am 9. November auch die Berliner Mauer, die man als Folge dieses Bürgerkrieges bezeichnen kann. Diesem Ereignis ist das Festival „Mauerfälle“ im Theaterdiscounter gewidmet. Der Bogen des Festivals im ehemaligen Fernmeldeamt Ost spannt sich von Heiner Müller bis in die ungefähre Gegenwart. Höhepunkt ist der Ankündigung zufolge ein Gelage mit 25 Liebesgedichten aus der DDR („Auf beiden Seiten des Liebesstreifens“), wo man das Publikum von der Soljanka-Kanone MAU-MAU verwöhnen lassen will. (Theaterdiscounter: „Mauerfälle“, 1.–5. 11. Alle Infos: www.theaterdiscounter.de).

In der Schaubude an der Greifswalder Straße findet vom 30. Oktober bis 6. November ebenfalls ein Festival statt. Unter der Überschrift „Berlin Showcase – Andere Formen“ gibt es einen Querschnitt moderner Ausdrucksformen des zeitgenössischen Puppen-, Figuren und Objekttheaters in Berlin zu sehen: Einblicke in eine erstaunliche Kunstform also, deren Arbeiten alle den steten Grenzgang dieser Theaterform zwischen Schwesterkünsten wie der bildenden Kunst, der Performancekunst und des Films widerspiegeln. Das schafft immer wieder einmalige Darstellungsmöglichkeiten an den Rändern des nie Gesehenen. So hat sich das Künstlerkollektiv im Sandy Schwerer zu ihrem surrealistischen Abend „Gaps“ durch Begegnungen und Texte autistischer Menschen inspirieren lasen. (Schaubude: „Berlin Showcase – Andere Formen“, Alle Infos: www.schaubude-berlin.de).