: „...…nicht vom Kultursenator“
Der scheidende Generalintendant des Bremer Theaters, Klaus Pierwoß, erzählt von den bittersten Erfahrungen seiner Amtszeit und warum und von wem er das Bundesverdienstkreuz annimmt
Interview von Benno Schirrmeister
taz: Als letzte Opernpremiere Ihrer Intendanz gab es Wagner. Aber nicht „Die Götterdämmerung“. Sondern „Tristan und Isolde“, Liebestod – und Verklärung. Wie darf man das verstehen?
Klaus Pierwoß: Ursprünglich hatten wir ein anderes Werk geplant: „Schwarzerde“ von Klaus Huber. Es war uns aber unter den Umständen der Insolvenz-Androhung zu unsicher, ob sich dieses Stück angemessen realisieren lässt. Dann wurde als Alternative „Tristan und Isolde“ in die Diskussion geworfen. Das hat keine tiefere Symbolik.
Versöhnlich wirkt aber, dass Sie sich am 12. Juni das Bundesverdienstkreuz anhängen lassen – nach 13 Jahren Streit mit…
Es war kein pausenloser Streit. Von den acht Senatorinnen und Senatoren, die ich in der Zeit erlebt habe, muss ich zwei ausdrücklich davon ausnehmen, mit denen ich die Arbeit als durchaus partnerschaftlich empfunden habe.
Wen?
Helga Trüpel und Kuno Böse. Bei den anderen sechs hat sich der Streit wie ein roter Faden durch die Zusammenarbeit gezogen. Und es ist keineswegs so, dass ich das verdrängt hätte. Im Gegenteil. Als wir an diesem dicken Buch zu meiner Intendanz gearbeitet haben – über das sich Herr Kastendiek dem Vernehmen nach sehr echauffiert hat – ist das alles noch einmal hochgekommen.
Welche Erfahrungen waren die bittersten?
Es gab zwei Situationen, die mir auch persönlich sehr zu schaffen gemacht haben: Dass man in der zweiten und in der zwölften Spielzeit Veranstaltungen gegen den Theatertod machen muss –das hat mich sehr durchgerüttelt. Die Insolvenzandrohung in der vergangenen Spielzeit hat mich richtig deprimiert.
Und trotzdem nehmen Sie den Orden an?
Ja. Ich habe darüber nachgedacht. Diese Ordensverleihung geht zurück auf eine Initiative der Gegner meiner Gegner…
… will sagen: persönlichen Freunde?
Nein. Wenn das eine Freundschaftshuberei wäre, dann hätte ich daran kein Interesse. Die Initiative geht aus von den Sympathisanten unserer Arbeit. Zudem wird der Orden nicht von der Stadt, sondern vom Bundespräsidenten verliehen. Und nicht vom Kultursenator überreicht, sondern vom Ministerpräsidenten, also Jens Böhrnsen, zu dem ich, wie zu seinem Vorgänger, ein positiv besetztes Verhältnis habe. Außerdem hebt die Begründung für die Ordensverleihung ausdrücklich anerkennend hervor, dass ich mich immer wieder in Auseinandersetzungen mit dem Senat begeben habe.
Die Widerborstigkeit der Kulturszene hat allerdings nachgelassen…
Ich habe als Einziger öffentlich kritisiert, dass es die Breminale nicht mehr gibt, dass es das Tanzfestival nicht mehr gibt, dass die Weserburg auf der Kippe steht, dass der Kulturszene zustehende Gelder wegen eines eitlen Machtpokers zwischen Nußbaum und Kastendiek nicht ausgezahlt wurden, – ein Pflaster habe ich mir bisher noch nicht auf den Mund kleben lassen.
Aber die anderen Akteure waren früher kämpferischer.
Ich finde es auch für das politische Klima in dieser Stadt fatal, dass sich andere nicht mehr öffentlich entrüsten. Wenn sich die Kulturszene nicht mehr durch Interventionen bemerkbar macht, dann bedeutet das eine Talfahrt für die Kultur. Ohne öffentlichen, kontroversen Diskurs in Bremen wird die Stadt ärmer. Nur: Ich werde das künftig nicht mehr leisten können.
Trauen Sie Ihrem Nachfolger Hans-Joachim Frey zu, dass er diese Rolle ausfüllt?
Ich habe diese Rolle nicht aus Vorsatz angenommen. Ich bin in sie gedrängt worden: Die Situation hat es einfach erfordert, sich zu verteidigen. Also habe ich versucht, diese Rolle so effektiv wie möglich auszufüllen. Es kommt nicht darauf an Krawall zu machen, sondern durch die öffentlichen Auseinandersetzungen den Finger in die Wunden zu legen und etwas Besseres zu erreichen.
Dass das Theater dazu auffordert, die Aufführungen jetzt zu besuchen, so lange es „in dieser Qualität“ noch existiert, hört sich nach einer Spitze gegen Herrn Frey an.
Wenn mein Nachfolger verkündet, wieder „frischen Wind“ in das Theater bringen zu wollen, dann muss diese Replik erlaubt sein. Wir streichen ja nur die Vorzüge unserer Theaterarbeit heraus, eine Qualität, die aus dem Prinzip des Ensemble- und Repertoiretheater resultiert, für das wir uns sehr bewusst entschieden haben – im Interesse unseres Publikums. Kein Mensch geht wegen der Dramaturgen oder des Intendanten ins Theater. Für die Zuschauer sind die Schauspieler, Sänger und Tänzer die Personen, mit denen sie sich identifizieren. Wenn ich mir die Abgänge aus dem Ensemble angucke, dann muss ich schon sagen: Bei allem Verständnis für den Willen zum Neubeginn – das wird für dieses Theater ein empfindlicher Verlust. Deshalb präsentieren wir noch einmal unsere Stärken.