: Kaum noch Hoffnung für Kumpel
TÜRKEI Nach einem Wassereinbruch in einem Bergwerksschacht sind noch 18 Arbeiter eingeschlossen. Wie im Fall Suma wurden Sicherheitsvorkehrungen vernachlässigt
AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH
Dieses Mal wollte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan alles richtig machen. Anders als nach dem schweren Grubenunglück in Soma im Mai, wo er sich wegen tagelanger Ignoranz unbeliebt gemacht hatte, ließ er die Feierlichkeiten am Mittwoch, dem Nationalfeiertag, absagen und fuhr stattdessen mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nach Ermenek. In dem Ort im Süden des Landes hatte sich am Dienstag erneut ein katastrophales Bergwerksunglück ereignet. 18 Bergleute waren am Mittwochnachmittag noch in der Grube eingeschlossen. Die Hoffnung auf ihre Rettung wurde stündlich geringer.
Das Unglück ereignete sich am frühen Dienstagnachmittag, als plötzlich tonnenweise Wasser auf der dritten, 350 Meter tiefen Sohle des Bergwerksschachtes einbrach. Von 38 Bergleuten, die sich zu dem Zeitpunkt in der relativen kleinen Schachtanlage befanden, konnten 20 gerettet werden, zu den anderen fehlt jeder Kontakt. Rettungstrupps begannen das Wasser abzupumpen, doch gegen die Menge, die in den Schacht hineinströmt, haben sie offenbar keine Chance.
Die Bilder von der Unglücksstelle gleichen fatal denen aus Soma, wo im Mai mehr als 300 Bergleute umkamen. Weinende Frauen werden am Schachteingang von der Polizei zurückgedrängt, während nebenan ratlose Politiker und Bergwerksbetreiber konstatieren, dass die Kumpel in 350 Metern Tiefe wohl nicht mehr zu retten seien. „Die Zeit läuft gegen uns“, sagte Energieminister Taner Yilmaz am Unglücksort und behauptete, man kenne die Ursache der Katastrophe noch nicht.
Doch wie in Soma stellt sich heraus, dass der Unfall das Ergebnis einer totalen Vernachlässigung der Sicherheitsvorkehrungen ist. Gerettete Arbeiter berichteten gegenüber türkischen Medien, dass es in den letzten Wochen mehrfach Wassereinbrüche gegeben habe. Die Umweltschutzorganisation TEMA hatte die Betreiber schon 2013 darauf aufmerksam gemacht, dass die Mine nicht sicher ist.
Zur Unglücksursache erklärte ein Experte gegenüber CNN-Türk, das Wasser stamme aus einem stillgelegten und gefluteten Schacht. Dieser wurde offenbar versehentlich angebohrt, weil für die Mine keine Kartierung existiert, auf denen stillgelegte Schächte verzeichnet sind.
Die Mine gehört einem gut vernetzten örtlichen Politiker, der in den neunziger Jahren Bürgermeister der benachbarten Kreisstadt Ermenek war und heute bei der Regierungspartei AKP aktiv ist. Wie in Soma haben auch in Ermenek die Betreiber dafür gesorgt, dass bei der Mine Profit vor Sicherheit geht. Daran haben auch die 300 toten Bergleute vom Frühjahr nichts geändert. Aufgebrachte Gewerkschafter aus Soma haben jetzt erklärt, sie planten einen Marsch auf Ankara. Einmal, weil sie versprochene Zahlungen nach dem Unfall nicht bekommen haben, vor allem aber, damit die Sicherheit in den Bergwerken endlich verbessert wird.