: Das Bauhaus von Dahlem
Nach zweijähriger Sanierung wurde der Henry-Ford-Bau, das Hauptgebäude der Freien Universität, wieder eröffnet. Nun lässt er wieder die Zeit erahnen, in der er entstand: die 50er-Jahre – als der Westen politische Symbole gegen den Osten baute
Eine Ausstellung im Henry-Ford-Bau erinnert jetzt an die Gründung der Freien Universität (FU) im Jahr 1948. Sie führt anhand von Dokumenten durch die fast 60-jährige Geschichte der Hochschule, die als Antwort auf die östliche Humboldt-Universität und das Bedürfnis von Studenten, Dozenten und ihrem ersten Präsidenten Friedrich Meinecke nach „freier Lehre und Wissenschaft“ gegründet wurde. Die Schau zeigt auch, dass die FU immer auch Projektionsfläche politischer Auseinandersetzungen war – wie Ende der 50er-Jahre, als Studenten nach Ostberlin verschleppt wurden, wie „1968“ und wie 1993, als massiv Studienplätze abgebaut wurden. Zur Wiedereröffnung hat der Stadtwandel-Verlag einen neuen Architekturführer „Der Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin“ herausgebracht und die Geschichte des Hochschulgebäudes eindrucksvoll nachgezeichnet. ROLA
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Es gibt etliche bekannte Architekten aus der Bauhauszeit, die in Dahlem Häuser realisiert haben. Walter Gropius, Gründer der Dessauer Architektur-Schule aus den 20er-Jahren, zählt ebenso dazu wie sein Nachfolger Mies van der Rohe. Auch Bruno Taut, die Gebrüder Luckhard oder Hugo Häring planten für den Vorort bauliche Chiffren der klassischen Moderne und Neuen Sachlichkeit. Bis heute zwängen sie sich kantig und funktional zwischen die verschnörkelten Jahrhundertwende-Villen.
Wohl am stärksten zitiert das Dessauer Original von 1926 aber ein Dahlemer Gebäude aus dem Jahr 1954: der Henry-Ford-Bau, das Hauptgebäude der Freien Universität Berlin (FU) an der Garystraße. In den vergangenen zwei Jahren wurde der Hochschulbau saniert und erstrahlt nun, zum Beginn des Sommersemesters 2007, wieder in Weiß, mit klaren vertikalen und horizontalen Linien.
Wie das Bauhaus besteht der Henry-Ford-Bau aus drei locker gruppierten Bauteilen, einer monumentalen Schaufassade und einer lichten gläsernen Eingangshalle. Wie beim Dessauer Vorbild überspannt ein Brückengebäude die Hofdurchfahrt. Und schließlich erinnert die Architektur in Dahlem an den Campusgedanken moderner Hochschulensembles. Als 1951 die beiden aus Wien stammenden, aber in Berlin ansässigen Architekten Gustav Müller und Heinrich Sobotka als Sieger aus einem Bauwettbewerb hervorgingen, feierte nicht nur die Jury den „vorzüglichen sowie ausgewogenen Charakter dieses Universitätsgebäudes“ in der Sprache der 50er-Jahre-Moderne und in Anklang an die Bauhaustradition.
Ein Geschenk Amerikas an Westberlin
Ebenso wie die Kongresshalle (heute: Haus der Kulturen der Welt) war das Universitätsgebäude ein amerikanisches Geschenk an den isolierten Kultur- und Wissenschaftsstandort Westberlin. Die amerikanische Ford Foundation finanzierte damals mit 7,5 Millionen Mark als „Berlin-Hilfe“ den FU-Bau. Ziel der Ford Foundation war – neben der finanziellen Unterstützung – aber auch, im Kalten Krieg ein baulich-politisches Signal gegen das SED-Regime zu setzen. Der damalige US-Außenminister John Foster Dulles stilisierte bei der Eröffnung den Ford-Bau im Westteil Berlins „zum Symbol der akademischen Freiheit der Welt“. Sah er doch hier wie schon in der Gründung der „freien Berliner Universität“ im Jahr 1948 den Widerstand und die Ideale der westlichen Welt – im Gegensatz zu denen im Osten Berlins – umgesetzt.
Die baulichen Ideale des Henry-Ford-Baus gerieten in der Folge aber weniger durch die Kommunisten in Gefahr als vielmehr durch die FU selbst. Das H-förmige Gebäude mit einem Auditorium Maximum für 1.200 Personen, einem Büro- und Garderobentrakt sowie einer Ausstellungsgalerie entlang der Garystraße, den vier großen Hörsälen an der Rückfront des Ensembles und der 75 Meter langen gläsernen Eingangshalle zwischen den Flügeln war damals für 10.000 Studierende gebaut worden.
Der Anstieg auf über 50.000 Studierende, die 50-jährige starke Nutzung des Hauses, Baumängel und ein Sanierungsstau veränderten den Charakter des Henry-Ford-Baus. Während außen die Fassade bröckelte, litt der lichte Innenraum durch unsachliche Um- und Einbauten, Rollläden vor den Fenstern und falsche Farbgestaltung.
So monierte die Denkmalpflege vor der Sanierung störende Einbauten wie die Pförtnerloge in der großen Glashalle. Zugleich kritisierte die Behörde, dass die Galerie an der Garystraße zur Lehrbuchsammlung der benachbarten Uni-Bibliothek umfunktioniert worden war. Außerdem hatte die Universitätsleitung Räume zusammenlegen lassen, um einen Konferenzsaal für den Akademischen Senat zu schaffen. Decken wurden abgehängt, die Gartenanlage ließ man verwildern.
Mächtige Rippen, wuchtiges Dach
Die rund 5 Millionen Euro teure denkmalgerechte Grundsanierung zwischen 2004 und 2007 hat die Fassaden mit ihren mächtigen Rippen und dem wuchtigen, vorstehenden Flachdach sowie die Innenräume in Farbe und Mobiliar wiederhergestellt. Der Ehrenhof zwischen den beiden Trakten, die wunderbare Eingangshalle samt Treppen zur Galerie sowie das große Auditorium mit Holzvertäfelung, den eleganten Stahlrohrstühlen und dem rotgrünen Design bilden die Höhepunkte der Sanierung.
Kleine Veränderungen – wie Übersetzerlogen im Auditorium Maximum oder der Austausch von Deckenleuchten – greifen kaum in die Substanz ein. Es ist ein Bild, eine architektonische Skulptur in Weiß, Grau und Grün wieder freigelegt worden, das die Zeit der 1950er-Jahre reflektiert.
Zu Recht schreibt darum auch Frank Schmitz in dem zur Eröffnung erschienenen Architekturführer, dass die Sanierung des Gebäudes „seinem bauhistorischen Rang und der Bedeutung für die Universitäts- und Stadtgeschichte gerecht“ werde. Das Ensemble sei ein „Spiegel“ jener Jahre – und ein Symbol Westberlins. Bedeutet der Henry-Ford-Bau doch auch, dass der Zeitgeist der Ost-West-Spaltung und der ideologischen Konfrontation dieses US-finanzierte Objekt mit konstituierte. Diesen Geist spürt man zwar, wenn man durch das gelungen sanierte Haus geht. Lesen kann der Besucher über diese Geschichte leider nichts.