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Archiv-Artikel

Von Umweltaktivisten, Anarchos und Antifas

Wer steckt eigentlich hinter dem Schwarzen Block? Zumindest keine homogene Gruppierung, wie die dunkle Einheitskleidung suggeriert

Vielleicht ist Michael* bloß kein klassischer Autonomer. Eine Polizeiwanne habe er zwar schon demoliert, erzählt er. Aber Steine auf Polizisten habe er noch nicht geworfen. Und dennoch: Bei der Auftaktdemonstration in Rostock gehörte er zum Schwarzen Block.

Über 5.000 schwarz gekleidete Demonstranten liefen am Samstag bei der Auftaktdemonstration gegen den G-8-Gipfel in einem Block. Steinwürfe, Böller und später die Attacke auf den Streifenwagen am Rande der Demonstration kamen nach Angaben der Polizei aus diesem Teil des Zuges. Als Journalisten am Tag nach den Rostocker Krawallen Tim Laumeyer von der Interventionistischen Linken, die zuständig für diesen Block war, die Frage stellten, was denn Autonome überhaupt seien, antwortet er: „Es sind Linksradikale, die schwarze Klamotten tragen.“ Auf die Frage, ob er denn selbst Autonomer sei, antwortet er: „Gerade trage ich ein weißes Hemd.“

Seitdem wird in der Öffentlichkeit spekuliert, wer hinter diesem Schwarzen Block steckt, warum die Polizisten bei Kontrollen die Autonomen nicht herausgezogen hätten. Und: Wer sind überhaupt die Autonomen?

Die Suche könnte sich als schwierig erweisen. Denn obwohl als „schwarzer Block“ bezeichnet, handelt es sich bei den so genannten Autonomen keineswegs um eine einheitliche Strömung. Wenn der Verfassungsschutz in seinem jährlichen Bericht die Zahl der Autonomen auf rund 6.000 Anhänger beziffert, dann mag er vielleicht die Zahl der Linksradikalen erfasst haben, die Sachbeschädigung und Auseinandersetzungen mit der Polizei nicht scheuen. Autonome sind das alle aber bei weitem nicht. Umweltschützer schmeißen sich bei Aktionen ebenso gern in schwarze Jacken und dunkle Hosen wie Antifas oder Anarchisten, auf die der Begriff „Autonome“ ursprünglich zurückgeht.

Zwar gibt es die „Autonomen“ noch, die sich wie in den 80er-Jahren und 90er-Jahren tatsächlich als eine eigenständige Strömung verstanden haben. In Anlehnung an die „Autonomia-Bewegung“ in Italien streben sie ideologisch ein herrschaftsfreies Ordnungssystem an, was viele von ihnen im Kleinen in ihrer WG, auf den Widerstandscamps oder im Umgang untereinander auch praktizieren. Zahlenmäßig machen bekennende Autonome aber bei weitem nicht mehr so viele aus, wie es der Schwarze Block vom Samstag suggeriert.

Stattdessen kursieren in der linken Szene Bezeichnungen wie „Postautonome“ oder „Feierabendautonome“. Das heißt, dem Linksradikalismus haben viele Gruppen zwar nicht abgeschworen. Der Selbstbezogenheit im eigenen Szenesumpf aber schon. Längst gibt es Aktivisten in allen möglichen Zusammenhängen, die sich vor einer Demo in schwarze Schale werfen. Denn für viele ist der Schwarze Block vor allem eine Aktionsform, die auf Demonstrationen ihre Entschlossenheit und Kompromisslosigkeit zum Ausdruck bringen soll. Beim G-8-Gipfel wollen sie den „reibungslosen Ablauf stören“, „Sand im Getriebe“ sein, dies „symbolisch auch zum Ausdruck bringen“. Manchmal eben auch mit Krawall.

Hervorgegangen ist diese Aktionsform vor allem aus der linken Szene der Hausbesetzer und Atomkraftgegner Ende der 70er-Jahre. Als Antwort auf die zunehmende Repression gegen Demonstranten setzte sich im militanten Teil der linken Szene durch, auf Demos einheitlichere Kleidung zu tragen. So konnten sie von Polizisten nicht gleich als Einzelne erkannt werden. Waren es Anfangs in Brokdorf oder Grohnde noch die gelben Ostfriesennerze, einigten sich die Aktivisten schnell auf die Farbe Schwarz. Um nicht von Nazis identifiziert zu werden, griffen Antifas den dunklen Einheitslook Anfang der 90er-Jahre auf: Schwarz behelmt, Hosen und Jacken ebenfalls schwarz und geschützt von Seitentransparenten demonstrierten sie durch deutsche Innenstädte, um Stärke und Geschlossenheit gegen Nazis zu demonstrieren. Helme wurden auf Demonstrationen daraufhin verboten.

Auch Michael würde sich selbst nicht als strammen Autonomen bezeichnen. Natürlich sei er gegen den Kapitalismus. Die vermeintliche Demokratie westlicher Prägung hält er für ein Unterdrückungssystem und Gespräche mit den Regierungen der G-8-Staaten, wie es Nichtregierungsorganisationen oder Teile von Attac tun, lehnt er auch ab.

„Es gibt nun mal Interessengegensätze, da nützen die besten Argumente nichts“, sagt Michael. All das drückt der Schwarze Block für ihn aus. Steine müsse er deswegen aber noch lange nicht werfen. FELIX LEE

* Name redaktionell geändert