: Das Schweigen der Auster
Die „Rakete von Drongen“ zündet wieder nicht: Walter Godefroot, ehemaliger Teamchef bei den Telekom-Radlern, will Doping weder organisiert noch finanziert haben. Alles sei eine „plumpe Lüge“
VON MARKUS VÖLKER
Walter Godefroot ist sich wieder einmal treu geblieben. Er hat gestern in seiner Heimatstadt Gent, wo er auch einen Radladen betreibt, nichts zugegeben. Gar nichts. „Ich habe Doping in unserem Radsportteam weder organisiert noch finanziert“, sagte der 63 Jahre alte Belgier auf einer Pressekonferenz. Außerdem kündigte Godefroot eine Klage gegen den ehemaligen Betreuer Jef D’hont an, der die Geständnisse ehemaliger Telekom-Radprofis durch sein Enthüllungsbuch erst möglich gemacht hatte. Das Buch seines Landsmannes bezeichnete Godefroot als eine „plumpe Lüge“.
Seit Jahrzehnten ist Godefroot in der Radszene aktiv, Ende der Sechzigerjahre hat er bedeutende Frühjahrsklassiker wie Lüttich-Bastogne-Lüttich, die Flandernrundfahrt und Paris–Roubaix gewonnen. Später gab er sein reichhaltiges Insiderwissen an junge Radprofis weiter als Funktionär und sportlicher Leiter. Von 1992 bis 2005 war er Teamchef der Profiradrennställe Telekom und T-Mobile. Seit Saisonbeginn ist er Berater beim Astana-Team, dem auch Andreas Klöden und Alexander Winokurow angehören.
Der bauernschlaue Belgier etablierte sich als eine dieser Figuren, die das korrupte System stützen. Kam in Interviews die Rede auf Doping, dann verfügte Godefroot meist: „Anderes Thema“. „Beim Thema Doping verschließt sich der belgische Rennleiter von Team Telekom wie eine Auster“, hat die Süddeutsche Zeitung schon vor Jahren bemerkt, heute ist das nicht anders, da können die Vorwürfe von D’hont und Bert Dietz noch so stichhaltig sein und ihn als Profiteur systematischen Epo-Dopings ausweisen.
Die Anschuldigungen gegen die belgische Auster sind so neu nicht. Auch im Jahre 1999 hat es sie gegeben, als der Spiegel über unsaubere Machenschaften im Team Telekom berichtete. Auch damals leugnete und klagte Godefroot. Er erwirkte einstweilige Verfügungen und kämpfte juristisch um seinen Ruf. Seinerzeit sagte er, er habe den Spaß am Radsport verloren. Wenn das alles so weitergehe, müsse er ernsthaft über einen Rückzug aus dem Metier nachdenken, dem er seit 35 Jahren angehört. „Ich kann ja in Belgien nicht einmal mehr in ein Restaurant zum Essen gehen, ohne dass am Nebentisch über Epo gesprochen wird.“ Er dürfte in der letzten Zeit ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt haben. In dem Bericht von Dietz in der ARD-Talkshow „Beckmann“ erschien Godefroot als der Epo-Mann im Hintergrund, als Drahtzieher, der sich zwar nicht die Hände schmutzig machte, aber den Gewinn einzustreichen wusste.
Wo sich andere (ein wenig) offenbarten, bleibt Godefroot stur. Das Offensichtliche wird abgestritten, die Kritiker werden mit kostspieligen Klagen überzogen. Das Team Astana dürfte ihn dabei bestärken, denn hier haben sich Brüder im Geiste zusammengefunden, zum Beispiel Eddy Mazzoleni, Dritter des Giro d’Italia, gegen den die italienische Staatsanwaltschaft wegen Dopings ermittelt.
Während die Geständnisflut abebbt, schwindet auch der Reformeifer. Nach den Auftritten von Zabel, Riis, Dietz und Co. wollten alle das Böse aus dem Radsport vertreiben; eine neue Offenheit wurde propagiert. Doch nun? Die deutschen Spitzensportverbände können sich nicht einmal darauf einigen, dass fünf Prozent der staatlichen Gelder von etwa 150 Millionen Euro an die Dopingagentur Nada fließen, FDP-Sportpolitiker Detlef Parr warnt davor, die Olympianormen zu senken, denn die Bundesrepublik entsende ihre Sportler ja nicht zu Dorfsportfesten. Und Godefroot lügt, dass sich die Balken biegen. Dabei wüsste er es besser. Die „Rakete von Drongen“ war bei Dopingkontrollen selbst dreimal positiv.