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Archiv-Artikel

Gelbe Karte für den Senat

UMWELTHAUPTSTADT Sechs Verbände ziehen nach einem halben Jahr eine miserable Halbzeitbilanz. SPD habe fast alle Öko-Projekte gestoppt

Umwelthauptstadt

Hamburg ist nach Stockholm 2010 die zweite Umwelthauptstadt der Europäischen Union.

■ Die Ziele: Die Auszeichnung soll die Leistungen einer Stadt im Umweltschutz würdigen, sie und andere Städte im Wettbewerb um den Titel zu erhöhten Anstrengungen anregen und durch Informationsaustausch bessere Lösungen für alle ermöglichen.

■ Die Nachfolger: 2012 wird das spanische Vitoria-Gasteiz Umwelthauptstadt sein, 2013 Nantes in Frankreich.

Für die Hamburger Umweltpolitik „kann es nur die gelbe Karte geben“, sagt Alexander Porschke, Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu). Viele Umweltprojekte, die noch vom schwarz-grünen Senat angeschoben worden waren, habe die SPD-Regierung gestoppt: Stadtbahn, Umweltzone, Citymaut, autofreier Sonntag, Landstromanschlüsse für Kreuzfahrtschiffe. Mit dem Tod von Loki Schmidt scheine die Hamburger SPD „die letzte überzeugte und einflussreiche Umweltpolitikerin verloren zu haben“, sagt Porschke, der von 1997 bis 2001 grüner Umweltsenator in Hamburg war.

Seit dem 1. Januar ist Hamburg EU-Umwelthauptstadt, gestern zogen der Nabu und fünf weitere Umweltverbände Halbzeitbilanz. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) etwa fordert, dass die Radverkehrsstrategie endlich konsequent umgesetzt wird. Das bedeute „den Ausbau von mindestens drei Velorouten und das Anlegen von mindestens 50 Kilometern neuer Radfahrstreifen, in erster Linie auf den Hauptverkehrsachsen“, sagt Susanne Elfferding vom Radlerclub. Horst Bertram vom Botanischen Verein fordert die SPD auf, „wieder funktionsfähige Naturschutzverwaltungen“ einzurichten. 2006 hatte der CDU-Senat die Naturschutzreferate in den Bezirken abgeschafft, seitdem gebe es „keine effektiven Strukturen für den Naturschutz vor Ort mehr“, klagt Bertram.

Wegen eines Verstoßes gegen die EU-Richtlinie zur Luftreinhaltung drohe Hamburg sogar ein Vertragsverletzungsverfahren aus Brüssel, sagt Porschke. Denn die Grenzwerte für Rußpartikel und Stickoxide in der Luft würden wegen des hohen Schadstoffausstoßes im Straßenverkehr häufig überschritten. Bis zum 11. Juni dieses Jahres nun hätte Hamburg der EU nachweisen müssen, dass „alle geeigneten Maßnahmen getroffen wurden“, um die Luft sauberer zu machen. Stattdessen habe der SPD-Senat sich gegen Umweltzone und Stadtbahn ausgesprochen: „Das ist oberpeinlich für eine EU-Umwelthauptstadt“, so Porschke.

Das sieht die Umweltbehörde ganz anders. Die Halbzeitbilanz sei „beeindruckend“, teilte sie gestern mit: „Ob Mülltrennung, Wasserverbrauch, Nutzung von Ökostrom oder des Stadtrades – die Bürgerinnen und Bürger achten in ihren ganz alltäglichen Entscheidungen immer häufiger auf Umweltverträglichkeit“, äußerte sich SPD-Senatorin Jutta Blankau erfreut. Und das sei besonders wichtig, weil mit dem Titel „Umwelthauptstadt“ eben auch „eine besondere Verantwortung“ verbunden sei.

SVEN-MICHAEL VEIT