: Kein Arzt per Mausklick
Bremer Studie: PatientInnen sind angesichts der Informationsflut oft ratlos. Beratungsstellen werden selten genutzt
Die Erkenntnis kommt wenig überraschend, aber jetzt ist sie zumindest wissenschaftlich belegt: Viele PatientInnen sind nicht trotz – sondern wegen des Internets und verschiedenster Gesundheitsmedien häufig ratlos. Das ist das Ergebnis der deutschlandweit umfassendsten repräsentativen Studie, bei der 3.600 BremerInnen zwischen 18 und 80 Jahren ausführlich zu ihrer gesundheitlichen Information befragt wurden. Die Ende 2004 vom Zentrum für Sozialpolitik der Uni Bremen erhobenen Daten sind jetzt in ausgewerteter Form als Buch erschienen.
Zwar bemühen sich zwei Drittel der Befragten vor oder nach einem Arztbesuch um zusätzliche Information, und mindestens jeder zweite stellt sich bisweilen selbst eine Diagnose. Die Menschen hätten es jedoch schwer, so die AutorInnen der Studie, die für sie wichtige Angaben herauszufiltern. Das Schlagwort vom „informierten Patienten“ sei deshalb „eher Fiktion als Fakt“. Vom „Patient per Mausklick“ könne keine Rede sein. Zugleich steht jedoch fest: Krankheit ist für die große Mehrheit der Befragten keine Angelegenheit, die sie allein ihren behandelnden ÄrztInnen überlassen wollen. Zumal deren Qualität von den Befragten als sehr unterschiedlich bewertet wird.
Vermisst werden vor allem glaubwürdige Wegweiser und Lotsen, die Transparenz schaffen. Vor allem jüngere und besser gebildete BremerInnen nutzen dabei das Internet – und zwar weitgehend unabhängig von ihrem Gesundheitszustand. Dort fänden sie jedoch in der Regel nur unpersönliches, standardisiertes Lexikonwissen vor, sagt Gerd Marstedt von der Uni Bremen. „Das ersetzt keine persönliche Beratung.“ Große Bedarf herrscht dabei vor allem an Ärzteverzeichnissen, die neben den Schwerpunkten auch individuelle Spezialisierungen auflisten.
Zwar gibt es in Bremen seit 1998 unabhängige Patientenberatungen. Doch der Studie zufolge haben nur neun Prozent der Befragten bereits eine solche Einrichtung besucht. Wer dort war, gibt sich indes zufrieden: 85 Prozent der über 59-jährigen NutzerInnen bewerteten den kostenlosen Rat als positiv, bei den unter 40-jährigen waren es immer noch 75 Prozent. mnz
„Ratlose Patienten?, 165 Seiten, Edition Temmen, 19,90 Euro.