Kalmückische Nettigkeiten

Magnus Carlsen, der 16-jährige Schachmeister aus Norwegen, scheitert in der ersten Herausfordererrunde im Kampf um den Weltmeistertitel an Lewon Aronjan

BADEN BADEN taz ■ Dem 16-jährigen Wunderknaben aus Norwegen bleibt der höchste Schach-Thron vorerst versagt. Magnus Carlsen hat dennoch einiges erlebt bei seinem ersten Ansturm auf den Gipfel. Der jüngste WM-Kandidat aller Zeiten ließ sich weder von einem Busunfall bei der Anreise nach Elista noch von den kalmückischen Mädchen, die ihn zum Teenie-Schwarm erkoren, ablenken. Bis kurz vor Schluss durfte der 16-Jährige davon träumen, im Herbst jüngster Weltmeister in der Geschichte des königlichen Spiels zu werden. „Ich rechne mir Chancen gegen Lewon Aronjan aus“, hatte Carlsen optimistisch angekündigt und Taten folgen lassen.

Erst nach zweimaliger Verlängerung unterlag der ehemalige Skispringer aus Lommedalen dem Weltranglistenfünften aus Armenien. Der in Berlin lebende Topfavorit Aronjan konnte endlich die vierte Führung zur Entscheidung nutzen. „Carlsen vom Schach“ besserte durch das ehrenvolle 5:7 wenigstens sein Taschengeld auf, ging es doch um 40.000 Dollar Preisgeld. Den Anteil an seiner Kampfbörse hätte der Weltranglisten-22. vorher schon ganz gut gebrauchen können. Im Sportzentrum kickte Linksverteidiger Carlsen mit seinem Vater Henrik, ohne Geld mitzunehmen – glücklicherweise kam aber auch Aronjan vorbei, der sich mit Tischtennis fit halten wollte. Lieferten sich früher die Großmeister Psycho-Kriege, die Spieler traten sich unter den Tischen oder bliesen dem anderen den Rauch billiger Zigarren ins Gesicht, geht es heutzutage gesitteter zu – zumindest mit Aronjan. Der streckte die Platzmiete für die Carlsens vor.

Weniger Geschenke gab es dann auf den 64 Feldern. Für die ist Kirsan Iljumschinow zuständig. Der Präsident des Schach-Weltverbandes Fide fand wieder mal keine Sponsoren für die acht Kandidaten-Kämpfe, weshalb diese alle in die kalmückischen Steppe verlegt wurden, in die russische Teilrepublik, deren Herrscher Iljumschinow ist. Kurzerhand griff er in die eigene Schatulle und lobte für jedes der acht Duelle 40.000 Dollar aus.

Gut verdiente damit überraschend der Russe Jewgeni Barejew. Der ehemalige Weltranglisten-Fünfte war zuletzt bis auf Platz 69 abgestürzt und feierte gegen die auf Position 13 notierte Ungarin Judit Polgar ein Comeback (3,5:2,5). Deren Landsmann Peter Leko machte es besser und eliminierte Michail Gurewitsch (Belgien) nach vier der maximal sechs Partien mit 3,5:0,5.

Aronjan gilt auch gegen den Wahl-Spanier Alexej Schirow, der den Briten Michael Adams knapp ausschaltete, als Favorit. Offen ist das Duell zwischen dem US-Amerikaner Gata Kamsky – 3,5:0,5-Triumphator über den Franzosen Etienne Bacrot – und Boris Gelfand. Der Israeli bezwang Rustam Kasimdschanow (Usbekistan) mit 5,5:3,5. Zudem messen sich die Russen Alexander Grischuk und Sergej Rublewski. Die vier Sieger qualifizieren sich für die Weltmeisterschaft im September in Mexiko. Dafür sind Weltmeister Wladimir Kramnik, Peter Swidler und Alexander Morosewitsch (alle Russland) und der Weltranglistenerste Viswanathan Anand (Indien) gesetzt. HARTMUT METZ